Eine Begegnung am Fuße des Olympiabergs mit dem Schauspieler Aydın Aydın.
1942 schrieb der US-amerikanische Autor Thornton Wilder mit „Wir sind noch einmal davongekommen“ ein Stück über eine von Katastrophen geplagte Menschheit. Exakt an dem Tag, an dem der Regisseur Marcel Kohler mit dem Abschlussjahrgang des Studienfachs Schauspiel an der Bayerischen Theaterakademie August Everding die Proben zu seiner Inszenierung beginnen wollte, begann der erste Lockdown in diesem Jahr. Kurzerhand beschloss Kohler, diese einmalige Ausnahmesituation für ein theatrales Experiment zu nutzen und erarbeitete die Inszenierung mit seinen Schauspielern per Videokonferenzen. Am 16.04.2020 feierte die Produktion online Premiere und wurde live aus den Wohnungen der Spielerinnen und Spieler gestreamt.
Aydın Aydın und seine Kolleg*innen Oscar Bloch, Sebastian Kremkow, Luiza Monteiro, Steffen Recks, Sandra Julia Reils, Tamara Romera Ginés, Fabio Savoldelli, Berit Vander, Aydin Aydin gelang es durch ihr präzises Zusammenspiel und ihr Gespür für Timing, den Zerfall einer Gesellschaft und die damit verbundene Auflösung als eigenständige Individuen darzustellen. Ihre direkte Publikumsansprache und die vielen skurrilen Szenen erzeugen trotz der Lacher, die sie kurzfristig hervorrufen, einen Effekt des Unbehagens.
Wenige Monate später erlebte ich Aydın zum ersten Mal auf einer Live-Bühne. Im Rahmen einer internen Premiere der Otto-Falckenberg-Schule an den Münchner Kammerspielen war er in Ayşe Güvendirens Inszenierung von Özlem Özgül Dündars beeindruckendem Stück Türken, Feuer zu sehen. Die in Solingen geborene Autorin sucht darin jenseits der medialen Aufmerksamkeitslogik nach einer Sprache zu suchen, um den fünf Opfern des Mordanschlags von Solingen, die am frühen Morgen des 29. Mai 1993 durch einen Brand ums Leben kamen, eine Stimme zu geben. Eine Tragödie, die kein Unglücksfall war, sondern auf das Konto von Rechtsextremisten ging, die gezielt Feuer in dem Solinger Einfamilienhaus gelegt hatten.
Aydın Aydın zeigt nicht nur auf der Bühne, sondern auch vor der Kamera ein ganz besonderes Gespür für die Zerrissenheit seiner Figuren. In dem Kurzfilm Dorfjugend von Josef Fink etwa spielt er den 20-jährigen Emir, der trotz der Tatsache, dass er in Österreich aufgewachsen ist und sozialisiert wurde, eine arrangierte Ehe eingehen möchte. Sein bester Leo hat gerade mal 24 Stunden Zeit, um ihn davon abzuhalten. Zwei Lebenswelten und -realitäten, die unterschiedlicher kaum sein können, prallen hier aufeinander.
Mit einem sehr präzisen Gespür für Sprache und dem Willen, jenseits von Zuschreibungen und Klischees Menschen auf der Bühne und vor der Kamera zu zeigen, die eine gewisse Rätselhaftigkeit umgibt, ist Aydın Aydın auf dem besten Wege, sich als ein bedeutender Mime in der deutschsprachigen Schauspiellandschaft zu etablieren.
Lieber Aydın, ich freue mich sehr über die Begegnung mit dir in diesem Jahr! Was für eine Zeit, um ein Schauspielstudium abzuschließen… Wie schön, dass wir es heute im Rahmen meines Adventsgeflüsters endlich zusammen in den Olympiapark geschafft haben! Alles Gute für 2021 und ich bin sehr gespannt, wohin dich dein künstlerischer Weg noch führen wird!
https://www.agentur-jovanovic.de/actors/aydin-aydin/
Instagram @ayd_in7
Vielen Dank für eure Spende für die Künstlerinnen und Künstler, die sich mit einem Beitrag an meinem Adventskalender beteiligen. Alle Infos zu meiner Spendenkampagne findet ihr unter:
https://www.betterplace.me/adventsgefluester-live
*Da es sich um eine private Spendenaktion handelt, kann ich leider im Anschluss keine Spendenquittungen ausstellen. Ich bitte um euer Verständnis!