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Adventsgeflüster #14: Erika Mann in der Monacensia

Noch bis 30.06.2020 kann man im Rahmen der spannenden Ausstellung Erika Mann. Kabarettistin – Kriegsreporterin – Politische Rednerin in der Monacensia in München-Bogenhausen mehr über das Leben dieser außergewöhnlichen Frau und engagierten Künstlerin erfahren. Gemeinsam mit anderen Kulturbloggern durfte ich Mitte November an einem exklusiven Bloggerwalk des Hauses teilnehmen.

„Gleichgültigkeit, dies kühlste Ruhekissen, ist sehr gefragt und allgemein beliebt“, sagte Erika Mann einmal. Was weiß man über eine Frau, die ihr berühmter Vater Thomas Mann als sein „begabtes Kind“ bezeichnete? Ich kannte sie vor allem als Gründerin des legendären politischen Kabarett-Ensembles Die Pfeffermühle, das seinem Publikum am 1. Januar 1933 auf der Bühne der Münchner Bonbonniere in der Nähe des Hofbräuhauses sein erstes Programm präsentierte. Und ich kannte Erika Mann als engagierte Managerin des Großunternehmens Thomas Mann. Nach Kriegsende unterstützte sie ihren Vater bei seinen Vortragsreisen, redigierte seinen Roman Doktor Faustus  und verwaltete nach seinem Tod im Jahr 1955 gewissenhaft seinen Nachlass.

Dabei war die 1905 in München geborene Erika Mann zu diesem Zeitpunkt bereits seit vielen Jahren sehr erfolgreich als Journalistin, Kabarettistin und während des Zweiten Weltkriegs auch als Kriegsreporterin tätig. Ihr umfangreiches künstlerisches und schriftstellerisches Schaffen ist derzeit Thema einer spannenden Einzelausstellung über die älteste Tochter von Thomas und Katia Mann, die bis 30.06.2020 in der Münchner Monacensia im Hildebrandhaus zu sehen sein wird.

Als die Kulturhistorikerin und digitale Kulturvermittlerin Tanja Praske zu Beginn diesen Herbstes ihren ersten #ErikaMann-Tweet auf Twitter absetzte, war mir bereits klar, dass sie viel vorhatte in Bezug auf die Ausstellung in der Monacensia. Das Team des Hauses um seine Leiterin Anke Buettner hat mit ihr eine sehr erfahrene und kompetente Fachfrau gefunden, die bereits in der Vergangenheit mit Projekten wie der Blogparade #DHMDemokratie – Was bedeutet mir Demokratie? immer wieder bewiesen hat, wie bereichernd es für eine Kulturinstitution sein, wenn sie eine Ausstellung nicht nur als analoges Raumkonzept begreift.

Daher begrüßten Tanja Praske als Verantwortliche für die digitale Vermittlung der beeindruckenden Erika Mann-Schau und das Team der Monacensia ein paar Tage nach der offiziellen Eröffnung der Ausstellung rund 20 Kulturblogger zu einem exklusiven Bloggerwalk in ihren Räumlichkeiten. Die Monacensia im Hildebrandhaus ist übrigens nicht nur ein Ort, an dem regelmäßig sehr interessierte Ausstellungen präsentiert werden: Hier befindet sich auch das Literaturarchiv der Stadt München sowie eine Forschungsbibliothek zur Geschichte und dem kulturellen Leben der Stadt. Seit 1977 ist die Monacensia in der ehemaligen Künstlervilla des Bildhauers Adolf von Hildebrand (1847–1921) beheimatet und an die Münchner Stadtbibliothek angegliedert.

Nach einer sehr herzlichen Begrüßung durch Anke Buettner folgte an diesem Montagabend in der Monacensia das erste Highlight im Rahmen unseres Bloggerwalks: Die Führung durch die Erika Mann-Ausstellung mit der Kuratorin Sylvia Schütz. Sie hat nicht nur ein enormes Wissen über den Werdegang der Schriftstellerin, sondern vermag dieses auch auf eine sehr charismatische Art und Weise an ihr Publikum zu vermitteln. Sylvia Schütz erzählt davon, wie Erika Mann 1924 mit Mühe und Not ihr Abitur am Münchner Luisengymnasium schaffte, anschließend ein Schauspielstudium am renommierten Max-Reinhardt-Seminar absolvierte und danach unter anderem in den Inszenierungen ihres Ehemanns Gustaf Gründgens und in den skandalträchtigen Stücken ihres Bruders Klaus Mann auf der Bühne zu erleben war. Um mit Klaus auf Weltreise gehen zu können, schrieb Erika Mann in den Jahren 1927 und 1928 erste Glossen und Zeitungsartikel. Der Aufstieg der Nazis politisierte die bis dahin politisch wenig aktive junge Frau: Bereits 1933 wird sie nicht mehr als Schauspielerin in Deutschland engagiert, nachdem sie 1932 auf Einladung der Internationalen pazifistischen Frauenverbände als Rezitatorin im Münchner Unionssaal gesprochen hatte. Zusammen mit der Schauspielerin Therese Giehse, dem Musiker Markus Henning und ihrem Bruder Klaus gründete Erika Mann 1933 das politische Kabarettensemble Die Pfeffermühle, mit dem sie in den Jahren darauf unter anderem in der Schweiz, den Niederlanden und der Tschechoslowakei auftrat, als sich die politische Situation in Deutschland weiter verschärfte. Es folgte die Emigration in die USA im Frühjahr 1937, wo Erika Mann eine Karriere als Journalistin, politische Rednerin und Vortragsreisende startete. Auch hier waren der Kampf gegen den Faschismus und die Auseinandersetzung mit der Nazi-Diktatur die beherrschenden Themen in ihrer Arbeit. Nach dem Zweiten Weltkrieg war Erika Mann die einzige weibliche Berichterstatterin bei den Nürnberger Prozessen und wagte 1945 im luxemburgischen Mondorf-les-Bains.eine Begegnung mit 52 hochrangigen deutschen Kriegsverbrechern.

Mich beeindruckt vor allem an ihr, dass sie die Gefahren des Nationalsozialismus als eine der ersten Intellektuellen des Landes erkannte und sich offen und unter Lebensgefahr gegen den rechten Terror aussprach. Wie kraftvoll ihre Texte waren, kann man nicht nur in dem Irmela von der Lühe und Uwe Naumann herausgegebenen Buch Blitze überm Ozean nachlesen, aus dem die digitale Kulturvermittlerin Tanja Praske während unseres Bloggerwalks in der Monacensia immer wieder zitierte. Im Anschluss an die Führung durch die Ausstellung stand an diesem Abend noch ein weiteres Highlight für uns auf dem Programm: Eine Lyrik-Performance von Lisa Jeschke und Theresa Seraphin, mit der die beiden live vor Ort und via einer eingespielten Tonaufnahme Erika Mann und der großen Schauspielerin Therese Giehse ein Denkmal setzen.

Auch einige Wochen nach dem Bloggerwalk in der Monacensia wirkt dieser Abend immer noch stark bei mir nach. Das liegt nicht nur daran, dass die anlässlich des 50. Todestages von Erika Mann konzipierte Ausstellung einen so umfassenden Überblick über die berufliche Tätigkeit und das politische Engagement der Schriftstellerin und Künstlerin vermittelt. Sie macht dem Besucher auch auf eine beunruhigende Art und Weise klar, wie wachsam wir gerade in der heutigen Zeit sein müssen, wenn es um den Erhalt der demokratischen Strukturen in unserem Land geht.

„Das einzige ‚Prinzip‘, an das ich mich halte, ist mein hartnäckiger Glaube an einige grundlegende moralische Ideale – Wahrheit, Ehre, Anstand, Freiheit, Toleranz“: Einen eindringlicheren Appell an die Menschlichkeit und das Verantwortungsbewusstsein wie den von Erika Mann könnte es kaum geben.

Liebes Monacensia-Team – insbesondere liebe Anke Buettner, Sylvia Schütz, Lisa Förster und liebe Tanja Praske: Ich danke euch allen ganz herzlich für die Einladung in die Monacensia, den wunderbaren Abend und vielen inspirierenden Gespräche! Liebe Theresa Windler von Isarsparer, Daniela Schnitzer von Unterwegs in Sachen Kunst, Daniela Köster von Genuss Touren und Theresa Ulbricht von Kulturmadame: Schön, dass ich euch im Rahmen dieser Veranstaltung kennengelernt beziehungsweise nach langer Zeit wieder einmal getroffen habe!

Zum Abschluss habe ich noch ein beeindruckendes Gedicht von Erika Mann aus dem Jahre 1940 eingesprochen, auf das ich auf monacensia-digital.de gestoßen bin. Mit diesem Projekt macht die Monacensia ihre Archivalien erstmals weltweit zugänglich. Dazu wurde im Oktober 2011 der komplette Nachlass von Monika Mann digital verfügbar gemacht. Die seit Mitte der 1990er Jahre gesperrten Tagebücher von Klaus Mann sind seit April 2012 vollständig auf Monacensia-Digital einsehbar. Dank der Fördermittel der Deutschen Forschungsgemeinschaft konnten 2014 die schriftlichen Nachlässe von Klaus und Erika Mann digital zugängig gemacht werden. Insgesamt wurden bisher sage und schreibe 52.650 Einzelseiten digitalisiert: Schaut daher unbedingt einmal auf monacensia-digital.de vorbei! 

Erika Mann: "So wenig Zeit [u. and. Gedichte für Bruno Walter]" by Lena Kettner


Mehr Infos über die Ausstellung Erika Mann. Kabarettistin. Kriegsreportin. Politische Rednerin und das umfangreiche Begleitprogramm findet ihr hier: 

http://bit.ly/3596wuz

Facebook @MuenchnerStadtbibliothek

Instagram @muenchner_stadtbibliothek

 

4 Antworten auf „Adventsgeflüster #14: Erika Mann in der Monacensia“

Liebe Lena,

sooo wunderbar, mit filmischen Impressionen vom BloggerWalk und deinem eingesprochenen Fundstück aus der Monacensia-Digital!!!

Es ist immer wieder erstaunlich, zu welchen Gedanken analog-digitale Führungen motivieren. Für mich ist dabei überraschend, dass, wie du hier, weiter recherchiert hast. Ein Wunsch, der kaum vorausgesetzt bzw. verlangt werden kann, dafür umso mehr erfreut, wenn wir diese Recherche auslösen. Grandios deine Einsprechen von Erika Mann’s Text.

Herzlichen Dank für alles!

Und noch ein dickes Kompliment für dein #Adventsgefluester – unglaublich, was für Themen du so unterhaltsam vermittelst. Jeden Tag erneut, fundiert, unterhaltsam und mit Lerneffekt – klasse!

Ich wünsche dir noch einen schönen 3. Advent – mir hast du den bereitet!

Liebe grüße
Tanja Praske, Digitale Vermittlung Erika Mann

Liebe Tanja,

so wunderbar, wie du und das Team der Monacensia diesen Abend gestaltet habt! Der Bloggerwalk war wirklich sehr bereichernd und inspirierend für mich!

Ich wünsche dir auch noch einen schönen dritten Advent und bin sehr gespannt auf deine nächsten Projekt!

Alles Liebe,

Lena

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