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Adventsgeflüster #6: Brief an den Nikolaus

Früher habe ich nicht nur jedes Jahr einen Wunschzettel an das Christkind, sondern auch einen an den Heiligen Nikolaus geschrieben. Nun ist es nach 25 Jahren an der Zeit, dass der Nikolaus wieder einmal etwas von mir hört…

Lieber Nikolaus,

ich weiß nicht, ob du dich noch an mich erinnern kannst. Als ich das letzte Mal mit dir in Kontakt trat, lebte ich noch in der Kolpingstraße in Pfaffenhofen an der Ilm. Jedes Jahr Anfang Dezember legte ich dir einen Brief auf das Fensterbrett vor meinem Zimmer. Mal ging es in meinen Wunschzetteln um einen neuen Barbie-Campingbus, den ich unbedingt zu Weihnachten geschenkt bekommen wollte. Mal um ein Steiff-Känguru, das ich gerade in einer Schaufensterauslage entdeckt hatte. 

Mittlerweile sind viele Jahre ins Land gezogen. Ich lebe mittlerweile bereits seit vielen Jahre in München und materiell gesehen fehlt es mir an nichts – den meisten Menschen um mich herum ebenfalls nicht. Umso mehr erschreckt mich diese Mischung aus Hass, Neid, Rassismus, Missgunst und Verleumdungen, die unsere Gesellschaft mehr und mehr durchdringt. Ich weiß, dass du keine Wunder vollbringen kannst: Aber vielleicht kann dieser Brief ja ein bisschen dazu beitragen, dass du dem ein oder anderen Menschen zu Weihnachten die Augen öffnest.

Ich wünsche mir, dass Zuschreibungen wie „Die Flüchtlinge“ oder „Der Ausländer“ bald der Vergangenheit angehören und die Menschen begreifen, dass uns Schubladendenken nicht weiterbringt.

Ich wünsche mir, dass sich sowohl Frauen, als als Männer immer wieder fragen, was sie eigentlich vom Leben wollen, anstatt angeblich erstrebenswerte Ideale und Normen zu erfüllen. 

Ich wünsche mir mehr echte und weniger gespielte Emotionalität in einer Welt voller Pathos und Rührseligkeit.

Ich wünsche mir, dass sich mehr Leute trauen, über ihre Schwächen und Ängste zu sprechen. 

Ich wünsche mir, dass sich gesellschaftliches Engagement nicht nur auf eine vorübergehende Betroffenheit in den sozialen Netzwerken beschränkt. 

Ich wünsche mir weniger Konsum und ein größeres Bewusstsein dafür, was wirklich notwendig ist im Leben. 

Ich wünsche mir, dass wir nicht nur für das Klima auf die Straße gehen, sondern auch einmal da ansetzen, wo es weh tut. Zum Beispiel könnte man überlegen, die Weihnachtsbeleuchtung in den Innenstädten erst zu Weihnachten einzuschalten. 

Ich wünsche mir eine offene, tolerante Gesellschaft, in der ein Bewusstsein dafür vorherrscht, dass persönliche Freiheit immer auch mit einem hohen Maß an Selbstverantwortung verbunden ist. 

Ich wünsche mir, dass ich im nächsten Jahr politisch aktiver werde, als ich das im Moment bin.

Ich wünsche mir, dass Kulturschaffende Menschlichkeit und Nächstenliebe nicht nur auf der Bühne und der Leinwand predigen, sondern auch hinter den Kulissen einen respektvollen Umgang mit ihren Arbeitspartnern und Kollegen pflegen.

Ich bin sehr dankbar für die Begegnungen mit den unterschiedlichen Menschen, die ich in diesem Jahr getroffen habe und wünsche mir, dass mir auch das kommende Jahr so inspirierend für mich wird, wie es 2019 war.

Nun wünsche ich dir, lieber Nikolas, aber erst einmal einen wunderbaren Abend und möglichst wenig Stress! Und lass dich nicht irritieren, wenn Santa Claus vor dir im Kaufhaus singt: Du bist und bleibst der einzig wahre Mann mit der roten Mütze!

Deine Lena

 

2 Antworten auf „Adventsgeflüster #6: Brief an den Nikolaus“

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