
Den gesamten Februar über wird der Open Air-Ausstellungsraum ,,Frei Parken” in München-Haidhausen zum Schaufenster für acht Werke der Fotografin Catherine Lieser, die im Rahmen ihrer Porträtreihe „Not Conceptual. Life“ entstanden sind. Catherine arbeitete für ihre beeindruckende Serie mit Künstlerinnen und Künstlern zusammen, die jenseits stereotyper Rollenbilder ihre ganz eigene Form der Körperwahrnehmung gefunden haben.
2019 gelang Catherine Lieser, die zusammen mit mir an der Hochschule für Fernsehen und Film studierte, eine sehr erfolgreiche berufliche Neuorientierung als Fotografin: Ein Gespräch über ihren Blick auf die Welt und die fotografische Annäherung an die Künstlerinnen und Künstlern ihrer außergewöhnlichen Porträtreihe.
Sie erzählen eine Geschichte über Emanzipation und Souveränität, aber auch über Melancholie und Einsamkeit: Die Fotos von Miss Shangri-Lah gehören zu meinen absoluten Lieblingswerken der Reihe „Not Conceptual. Life“. Die Fotografin Catherine Lieser lernte die Künstlerin durch Kelly Heelton kenne, deren Performances ein fester Bestandteil der Frankfurter Travestie-Show „Night Queens“ sind. „Miss Shangri-Lahs Performance ist wahnsinnig beeindruckend – genauso so wie ihre exzentrischen Kostüme, die sie auch auf Bestellung als Maßanfertigung in ganz Deutschland an andere Drag Queens verkauft“, erzählt Catherine. Sie besuchte Miss Shangri-Lah vorletztes Jahr in ihrem Atelier, wo die Künstlerin ihre aufwendig gestalteten Kleider und Kostüme mit viel Liebe zum Detail anfertigt.
Die Fotografien in Catherines Porträtreihe „Not Conceptual. Life“ sind vor allem deshalb so faszinierend, weil es der Fotografin gelingt, einen Blick hinter das schillernde Äußere der acht Künstlerinnen und Künstler zu werfen. Meisterhaft fängt Catherine den einzigartigen Charakter ihrer Protogonist:innen vor der Kamera ein, die sich dort mal kämpferisch, mal nachdenklich, sehr souverän und selbstbewusst geben. Für die Umsetzung bediente sich Catherine Fotografien, die unsere kollektive Vorstellung von idealen männlichen und weiblichen Rollenbildern geprägt haben beziehungsweise fortlaufend bestätigen – so wie „Mark Whalberg für Calvin Klein, fotografiert von Herb Ritts“.
Indem Catherine die Fotografien, die sich in unser Gedächtnis eingebrannt haben, zitiert und sie um das individuelle Narrativ der Portraitierten zu ergänzt, gelingt es ihr, den Blick des Betrachters auf das zu lenken, was hinter dem oft oberflächlichen Bild, das man sich von einem Menschen macht, liegt: Seine Seele.
“Mir war sehr wichtig, vor dem Shooting ein Gefühl für die jeweilige Person zu bekommen und sie in einer Umgebung zu beobachten und zu erleben, die sich für sie natürlich anfühlt”, sagt Catherine. “Ich unterhielt mich mit den Künstler:innen über Themen, die sie interessieren, mit denen sie sich in ihrer eigenen Arbeit beschäftigen und die sie in den finalen Portraits thematisieren wollten – so wie das Thema “Körperhaare“ bei Coremy oder „Sexualisierung von asiatischen Frauen“ bei Ariana Gansuh. Dann habe ich meine Idee in einem Konzept mit Beispielbildern veranschaulicht und beschrieben, so dass die Künstler:innen wussten, was ich mir vorstelle”.
Derzeit und noch bis Ende Februar sind die Porträts aus Catherines Fotoreihe „Not Conceptual. Life“ im Open Air-Atelier Frei Parken in sechs Schaufenstern der ehemaligen Siegl Fachbuchhandlung an der Kirchenstraße 7 in München Haidhausen zu sehen.
Erst seit 2019 arbeitet Catherine, die parallel zu meinem Studium der Theater-, Film- und Fernsehkritik an der HFF München Produktion studierte, hauptberuflich als Fotografin. „Grundsätzlich war dies schon immer mein Wunsch. Ich habe seit jeher viel Ich habe seit jeher viel mit Foto- und
Videokameras experimentiert und sowohl vor als auch während der Filmhochschule Musikvideos gedreht sowie einen kurzen Dokumentarfilm. Ich habe tatsächlich nur sehr lange gebraucht, um zu verstehen, dass ich auch professionell fotografieren möchte und es keine Option mehr für mich ist, es nicht zu tun“.
Einen konkreten Erweckungsmoment“
Einen Erweckungsmoment in Bezug auf ihren Wunsch, sich als Fotokünstlerin zu etablieren, habe es jedoch nicht gegeben. “Es war eher ein Prozess. Ich habe mich in einer Situation wiedergefunden, in der sich plötzlich alles falsch anfühlte: Meine damalige Beziehung und die Stadt, in der ich lebte. Und auch wenn ich meinen Beruf als Nachwuchsreferentin für eine Filmförderung grundsätzlich als sehr sinnstiftend wahrnahm, merkte ich, dass ich auch daran etwas ändern wollte. Ein Auslöser war wohl, dass es mir gesundheitlich immer schlechter ging. Als ich verstand, dass das in einem Zusammenhang miteinander stand, hat sich daraus sukzessive ein Prozess des Wandels ergebe“. Ich habe Catherine damals sehr für ihren Mut, sich aus ihrer sicheren Position als Förderreferentin heraus eine neue Existenz als selbstständige Künstlerin aufzubauen, bewundert. “Ich hatte zunächst nicht von meinem beruflichen Wechsel erzählt. Er hat sich Schritt für Schritt von selbst kommuniziert und dann haben mich Freunde und gute Bekannte aus meinem Netzwerk zunehmend engagiert. Klar habe ich einige Projekte auch selbst angestoßen: Eigeninitiative ist ein wichtiger Faktor”.
Catherine erzählt mir, dass sie sich schon immer von Bildern angezogen fühlte. „Als Jugendliche habe ich eigentlich jeden Tag mehrere Stunden MTV und Musikvideos angeschaut. Ich denke mir gefällt daran, dass man damit das Schöne und Ästhetische der Welt fokussieren und festhalten kann“.
Seit sie die Seiten in der Kulturbranche gewechselt hat, macht Catherine ihr Blick auf die Welt wieder Spaß, wie sie es selbst formuliert. „Mir gefällt nun, was ich sehe. Es macht mich wieder zufrieden.Wenn ich ein Zug wäre, würde ich sagen, dass ich mich endlich auf das richtige Gleis gesetzt habe. Einige Bahnhöfe habe ich schon angefahren, die mir wichtig waren. Ich habe noch viele Ziele vor mir, aber nun ist der Weg das Ziel“.
Mehr Informationen über Catherine Lieser:
https://www.catherinelieser.com/ Instagram @catherine.lieser