15 Jahre ist mein letzter Aufenthalt in Dublin her: Zeit, die Stadt im Jahr 2018 neu zu entdecken!
Mit Irland verbinde ich eine meiner schönsten Kindheitserinnerungen: Im Alter von zehn Jahren verbrachte ich in County Kerry, einer Grafschaft im Südwesten der Provinz Munster, einen großartigen Urlaub mit meinem Bruder und meinen Eltern. Wir hielten uns damals entweder an einem wenig überlaufenen Strand in der Nähe unseres Cottages auf oder fuhren zu einem Reiterhof, wo ich mich täglich aufs Pferd wagte und Ausritte in die von Felsspalten und Klippen durchzogene irische Prärie unternahm. Und ich schoss in Irland mein allererstes Foto überhaupt: Darauf zu sehen war eine Kuh, die auf einem Hügel ganz malerisch vor der atemberaubenden Küstenlandschaft weidete.
2001 verbrachte ich dann nach mehreren Jahren Irland-Abstinenz eine Woche bei einer Bekannten meiner Mutter, die als Lehrerin an einer Schule in Dublin unterrichtete. Ich begleitete sie eine Woche lang jeden Tag in den Unterricht und hatte das Gefühl, nach nicht einmal zwei Stunden an meinem allerersten Tag bereits jeden einzelnen Schüler zu kennen. Die Offenheit der Iren, ihre Herzlichkeit und ihr Humor haben mich damals sehr begeistert – nun, unglaubliche 15 Jahre später, bin ich 2018 wieder auf die Insel zurückgekehrt.
Zugegeben, der März ist nicht die beste Reisezeit für Irland. Denn das Wetter hier macht vor allem zu dieser Jahreszeit, was es will. Rund 18 Jahre ist es hier, dass man in Dublin und Umgebung zum letzten Mal Schneebälle durch die Gegend werfen konnte – als unsere Ryanair-Maschine vor einigen Tagen zur Landung in der irischen Hauptstadt ansetzte, sah die Landschaft aus dem Flugzeug betrachtet fast genauso puderzuckerweiß aus wie die Gegend um München.
Die weiße Pracht war jedoch schnell wieder verschwunden, als am Tag nach unserer Ankunft der irische Sprühregen, auch „Irish Mist“ genannt, einsetzte. Auf der Insel wird er übrigens auch gerne als „liquid sunshine“ (flüssiger Sonnenschein) bezeichnet. Trotz des unfreundlichen Wetters wagten sich meine Freundin Laura und ich hinaus ins Freie und fuhren mit dem Nahverkehrszug DART in den etwa eine halbe Stunde entfernten, nördlich von Dublin gelegenen Küstenort Howth.
In früheren Zeiten galt Howth als wichtiger Hafen für die Warenlieferungen nach Dublin. Laura und ich starteten unseren Aufenthalt am Meer mit einem Frühstück bei Beshoffs The Market direkt am Hafen. Dort gibt es sehr leckeres Porridge und ausgezeichneten Kaffee! Gut gestärkt spazierten wir anschließend am Hafen entlang Richtung Ortsmitte – auf die wunderschöne Klippenwanderung, bei der man auf die Inseln Ireland’s Eye und Lambay blicken kann, verzichteten wir aufgrund des anhaltend regnerischen Wetters lieber.
Das knapp 8.200 Einwohner zählende Howth strahlte selbst in diesem tristen Grau in Grau eine ganz besondere Faszination auf mich aus. Hier verbrachten beispielsweise John Sheahan von The Dubliners, eine der berühmtesten und einflussreichsten Bands der Irish Folk Music, die erst kürzlich verstorbene Dolores O’Riordan von The Cranberries oder Phil Lynott von der irischen Rockband Thin Lizzy einige Zeit. Und Larry Mullen, Drummer von U2, lebt sogar dauerhaft mit seiner Familie in Howth.
Als wir auf unserem Weg einem Einheimischen begegnen, spricht er uns sofort auf das nasskalte, windige Wetter an und lobt uns für unseren Mut, uns trotz des Regens draußen zu bewegen. Da ist sie wieder, diese irische Herzlichkeit, die einem überall im Land entgegen gebracht wird. Am Nachmittag beschließen Laura und ich, uns mit dem Bus in das nur 12km entfernte Malahide Castle zu machen. Keine allzu gute Idee, wie wir bald feststellen werden… Die Busse fahren nach den Schneechaos-Tagen nur unregelmäßig bis gar nicht – generell sollte man Malahide lieber direkt von Dublin aus ansteuern. Nach einer kleinen Odyssee und der Entscheidung für eine mytaxi-Fahrt zum Schloss kommen wir spätnachmittags dort an. Bis vor einigen Jahrzehnten war das Schloss in Privatbesitz und Wohnhaus der Talbot-Familie, deren Linie sich über 800 Jahre bis 1174 zurückverfolgen lässt. Damals erbaute der erste Talbot, ein Anglo-Normanne, nach der Eroberung Irlands in dem heutigen Nobelvorort von Dublin diese Burg.
Für eine Tour durch das Schloss war es an diesem Nachmittag leider zu spät – sehr gerne hätte ich den „Oak Room“ eine der ältesten Eichenholz-Vertäfelungen Irlands, oder die mit wertvollen Porträts und Gemälden geschmückte „Great Hall“ mit eigenen Augen gesehen. Trotzdem hat sich der Ausflug nach Malahide mehr als gelohnt: Laura und ich spazierten durch die an das Schloss angrenzende Parklandschaft, aßen leckeren Kuchen im Schloss-Café und und fanden im angrenzenden Shop viele wunderschöne Souvenirs.
Am nächsten Tag beschlossen wir, unsere Aktivitäten aufgrund des immer noch durchwachsenen Wetters vorrangig nach drinnen zu verlagern. Glücklicherweise fuhren die Busse in Dublin wieder planmäßig, so dass uns zum Kilmainham Gaol, einem ehemaligen Gefängnis im Dubliner Stadtteil Kilmainham, aufmachen konnten. Das 1796 eröffnete Gebäude spielte in der Geschichte Irlands eine entscheidende Rolle, wie einem bei der Tour über das Gelände klar wird. Viele irische Rebellenführer und nationalistische Politiker waren hier inhaftiert oder wurden sogar in Kilmainham Gaol hingerichtet. Nach der Unabhängigkeit Irlands 1921 wurde der Gebäudekomplex im Jahr 1924 geschlossen und verfiel immer mehr. Erst in den 1960er-Jahren restaurierte man das Gefängnis komplett, um ein Museum bzw. eine nationale Gedenkstätte daraus zu machen.
Anthony, unser Guide, erzählt mit einer Inbrunst, wie sie wohl nur ein echter Ire an den Tag legen kann, von den hier hingerichteten Anführer des Osteraufstandes 1916, für die sich im im Hof des Gefängnisses eine Gedenkstätte befindet. Er war ein Versuch militanter irischer Republikaner wie Patrick Pearse, James Connolly oder Thomas James Clarke, die Unabhängigkeit Irlands von Großbritannien gewaltsam zu erzwingen. Wie sehr die Namen dieser Männer im kollektiven Gedächtnis des Landes verankert sind, sieht man, wenn man die Straßennamen im Zentrum von Dublin studiert. Tourguide Anthony geht in Kilmainham Gaol aber auch auf die wichtige Rolle der weiblichen Unabhängigkeitskämpferinnen wie Constance Markiewicz ein. Glücklicherweise hat man sich in den 1960er Jahren dazu entschlossen, diesen Ort nicht in eine Art „Irish Dungeon“ zu verwandeln, sondern den Besuchern vor allem ein Gefühl für die historische Bedeutung dieser Anlage zu vermitteln. Schaurig ist die Vorstellung, in den kargen, kaum lichtdurchfluteten Gemäuern im Winter mehr als eine Stunde verbringen zu müssen, allemal.
Die Stimmung in unserer Gruppe wurde beklemmend, als wir mit Anthony den Hof des Gefängnisses betraten. Zum ersten Mal in diesen Tagen ließ sich endlich die Sonne blicken – und gleichzeitig fiel unser Blick auf die Tafel der getöteten Unabhängigkeitskämpfer…
Nach dieser spannenden, aber auch bedrückenden Geschichtslektion machten sich Laura und ich auf zu der nur wenige Kilometer von Kilmainham Gaol entfernten Pearse Lyons Distillery. Pearse Lyons, Gründer der erfolgreichen Alltech Gruppe – ein Unternehmen für Tiernahrung – hat an einem sehr außergewöhnlichen Ort in Dublin im vergangenen Jahr eine Whiskey-Destillerie eröffnet: In der ehemaligen St. James Kirche in den Liberties. Im Mittelalter waren die Grundbesitzer des Gebiets westlich der Stadtmauer mit besondere Privilegien, sogenannten „liberties“, ausgestattet. Heute ist diese Gegend rund um Thomas Street und Meath Street das Dublin der einfachen Leute.
Pearse Lyons kann man für seinen Mut, diesen verlassenen Ort wieder zu beleben, nur bewundern. Zu St. James haben die beiden Iren eine besondere Verbindung: Bevor die Kirche säkularisiert wurde, fand hier mit der Beerdigung des Großvaters von Pearse Lyons 1948 eine der letzten Beerdigungen auf diesem Friedhof statt. 2014 begann man an der Destillerie zu arbeiten und der Milliadär Lyons investierte stolze 20 Millionen Euro in das Projekt – unter anderem, um die wunderschönen, modernen Glasfenster mit Motiven aus der Geschichte der Lyons und des Whiskybrennens für die Kirche entwerfen zu lassen. Nicht nur die Whiskey-Destillationsanlage im Raum macht diesen Ort so außergewöhnlich: Seit dem Kauf des Geländes durch Pearse Lyons sorgt ein Team aus Historikern und Restauratoren für die Erforschung und den Erhalt der Jahrhunderte alten Grabplatten auf dem an die Kirche angrenzenden Friedhof.
Gerade heute habe ich die traurige Nachricht gelesen, dass der 73-jährige Unternehmer in den letzten Jahren nach einer Herz-OP in seinem Wohnort Kentucky, wo er zusammen mit seiner Frau Deirdre die Lexington Brewing and Distilling Company aufgebaut hatte, verstorben ist.
Einen schöneren Ort als diese Destillerie hätte er der Nachwelt kaum hinterlassen können. Denn hier geben sehr engagierte Mitarbeiter wie unser Tourguide Sheila alles dafür, um ihren Gästen einen Einblick in die irische Kultur und Lebensart zu bieten. „Versuchungen sollte man nachgeben. Wer weiß, ob sie wiederkommen!“, wusste schon Oscar Wilde. Wir probieren an diesem Nachmittag nicht einfach nur drei verschiedenen Whiskey-Sorten, sondern lernen alles über die Herstellung dieses alkoholischen Getränks, der durch die Destillation aus Getreidemaische gewonnenen wird und anschließend und im Holzfass reift. Fast zwei Stunden nimmt sich Sheila für uns Zeit und reicht uns sogar noch ein Glas Gin Tonic, bevor wir uns wieder Richtung Dubliner Innenstadt bewegen. Einen Besuch in dieser etwas anderen Kirche solltet ihr euch bei eurem nächsten Besuch in der irischen Hauptstadt auf keinen Fall entgehen lassen!
Und zum Schluss meines kleinen Reiseberichts aus Irland noch ein wenig Musik aus den Straßen von Dublin…
Go raibh maith agat Éire – danke Irland, ich werde wiederkommen!
Kilmainham Gaol Museum
Inchicore Rd, Kilmainham
Dublin 8
D08 RK28
Öffnungszeiten:
Januar-Dezember
9:30 – 17:30 Uhr
(Letzte Tour: 16:15 Uhr)
Mit der Luas
- Rote Linie bis Suir Road
Mit dem Bus
- Buslinien 69, 79 ab Aston Quay bis Kilmainham Jail
Tickets: 9€ inklusive geführter Tour über das Gelände
http://kilmainhamgaolmuseum.ie/
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Pearse Lyons Destillery
121-122 James’s Street
Dublin 8
D08 ET27
Öffnungszeiten:
Montag-Samstag, 9:30 – 18:00 Uhr
Sonntag und Feiertage, 11:30 – 18:00 uhR
Erste Tour um 10:00 Uhr, letzte um 17:00 Uhr
Preis für eine Tour durch die Destillerie und drei Whiskey-Proben: 20€
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Malahide Castle & Gardens
Malahide Demesne
Malahide
Co. Dublin
Öffnungszeiten:
Täglich 9:30 -17:30 Uhr
Letzte Tour durch das Schloss um 15.30 Uhr (November-März) oder um 16.30 Uhr
Preis: 12.50€
https://www.malahidecastleandgardens.ie
Erreichbar mit der DART: http://www.irishrail.ie/travel-information/malahide
4 Antworten auf „Dubliner Geschichten“
Sehr schöne Impressionen, liebe Lena.
Wird endlich Zeit, dass ich Dublin auch mal besuche.
Liebe Grüße aus OWL
Daniela
Eine Reise nach Dublin kann ich wirklich nur empfehlen! Danke dir für deine lieben Worte, Daniela!!
Toller Blog liebe Lena! Freue mich jetzt noch mehr auf meine Dublin Reise im Mai!
Vielen Dank, liebe Jennifer – und eine tolle Reise nach Dublin wünsche ich dir!!