Sprayen an Hauswände war gestern: In der Krise feiert die Straßenmalkreide ihr großes Comeback in München!
Liebes Tagebuch,
ein Stück Straßenmalkreide habe ich zum letzten Mal in meiner Kindheit in den Händen gehalten. Viel mehr als die „Himmel und Hölle“-Kästchen brachte ich jedoch zeichnerisch nicht zustande. Ich bastelte damals lieber an der Weihnachtsdekoration für mein Zimmer oder bemalte Ostereier.
Die Malereien, die ich damals auf den Straßen in unserer Nachbarschaft sah, ließen sich nicht gerade als Kunstwerk bezeichnen – und so war ich froh über den nächsten Regenschauer, der die gesammelte Kreativität der Kinder und Erwachsenen mit einem Mal hinweg wischte.
Nun aber erlebt die Straßenmalkreide in Zeiten von Corona eine ganz neue, ungeahnte Renaissance: Jeder Spaziergang wird zum Highlight, seit man an jeder Ecke in München wunderschön gestaltete Kunst zu seinen Füßen entdecken kann. Blumen in allen möglichen Formen und Farben, den Osterhasen, Eisbecher, Bienen, Bonbons und ganze Häuserzeilen gibt es da zu bestaunen. Bei meinem heutigen Spaziergang durch Schwabing habe ich sogar einen Alexander McQueen-Gedächtnistotenkopf auf der Straße entdeckt: Very fashionable und kein bisschen gruselig.
Selten habe ich erlebt, dass sich Kinder wie Erwachsene über Stunden hinweg so hochkonzentriert einer Aufgabe widmen, wie der Ausgestaltung ihres persönlichen Straßenkunstwerks. Vielleicht etabliert sich mit der Zeit eine eigene Szene in München und ein Straßenmal-Festival weist einem den Weg zu den schönsten Kunstwerken. Ich staune über so viel Kreativität im öffentlichen Raum und wünsche mir sehr, dass diese die Coronakrise überdauern wird.