
Welch eine einmalige Erfahrung: Mit den VR-Brillen der Firma frontrow hat man die Möglichkeit, auf spektakuläre Art und Weise in eine Theater- oder Tanzinszenierung einzutauchen! Ich habe mir den Ballettabend shifting_perspective – A Virtual-Reality Dance-Experience des Staatstheater Augsburg angesehen.
Als die Tänzerin Momoko Tanaka die virtuelle Bühne betritt, hat dieses außergewöhnliche Kulturerlebnis seinen Höhepunkt erreicht. Tanakas Solo erzählt von der Einsamkeit und der Isolation, die wir derzeit erfahren – aber auch von einer großen Hoffnung und Aufbruchsstimmung. Die Bewegungen der Tänzerin ziehen mich förmlich hinein in das Bühnengeschehen, das sich dank Virtual Reality anfühlt, als schwebe ich mit ihr durch den Raum.
Ein ähnliches Erweckungserlebnis in Bezug auf die Verbindung von Tanz und Film hatte ich schon einmal, als ich mir 2011 Wim Wenders Dokumentarfilm Tanzt, tanz, sonst sind wir verloren über Pina Bausch und ihre Kompanie im Kino ansah. Wenders gelang es durch die 3D-Technik, den Zuschauerinnen und Zuschauern ein Gefühl für die Entstehungsprozesse von Bauschs Inszenierungen zu vermitteln, das sich anderweitig nicht in derselben Intensität hätte erschaffen lassen.
Neun Jahre später konnte der Staatsintendant des Staatstheaters Augsburg, André Bücker, seinen Plan bezüglich des Aufbaus einer digitalen Sparte an seinem Haus dank Corona früher als geplant in die Tat umsetzen: Am Osterwochenende 2020 präsentierte er mit Lot Vekemans Dialog Judas in der Regie von Magz Barrawasser die erste VR-Inszenierung des Hauses.
Bald darauf folgte mit shifting_perspective die zweite Inszenierung, die die Zuschauer mithilfe einer VR-Brille von zu Hause aus erleben können. Mit Sewon Ahn, Ana Isabel Casquilho, Michele Nunziata, Franco Ciculi, Gabriela Finardi, Ria Girard, Samuel Maxted, Giovanni Napoli, Alessio Pirrone, Cosmo Sancilio, Goncalo Martins da Silva, Momoko Tanaka, Emily Wohl, Shori Yamamoto, Moeka Yugawa und Keiko Okawa präsentiert sich dort das gesamte Ballettensemble des Staatstheaters Augsburg im virtuellen Raum.
Produziert wurden die VR-Inszenierungen von der Augsburger Agentur Heimspiel. Sie positionierten dazu in der Mitte der großen Bühne im Staatstheater Augsburg eine 360-Grad Kamera, um die sich das gesamte Geschehen bewegt. So hat das Publikum, das mit den Tänzern auf der Bühne sitzt und alles aus der Sicht dieser Kamera betrachtet, die Möglichkeit, sich während der 45-minütigen Inszenierung mit den Tänzer*innen gemeinsam im Raum zu bewegen und dabei immer wieder die Perspektive zu wechseln. Für mich, die Tanztheaterstücke bisher fast immer von einem festen Platz in einem Theater- oder Opernhaus aus verfolgt hat, ist shifting_perspective der Schlüssel zu einer vollkommen neuen Welt.
Gedreht wurden dieses eindrucksvolle Kaleidoskop aus tänzerischen Einzelszenen in Zeiten Corona-bedingter Kontaktbeschränkungen mit jeweils ein bis zwei Tänzer*innen. Indem die Szenen mehrfach gefilmt und übereinander gelegt wurden, einstand ein immersiver Ballettabend, der viel von der Sehnsucht nach Begegnung und von der Kraft, die von der tänzerischen Bewegung ausgeht, erzählt.
Als Inspiration für dieses eindrucksvolle VR-Erlebnis des Staatstheaters Augsburg diente übrigens die elektronische Musik, die der britische Musiker Robin Rimbaud alias „Scanner „auf seinem Album Pavillon d’Armide/Amarant veröffentlichte. Dazu entwickelten die Tänzer*innen improvisatorisch jeweils drei Varianten eines Tanzsolos.
Aufgenommen wurde ihre jeweiligen Szenen mit einer Kamera, die sechs rundum angeordnete Objektive mit einem Öffnungswinkel von je 200 Grad hat. Im Anschluss wurde die dadurch entstandenen Bilder mittels einer speziellen Software so zusammengesetzt, dass durch die Aneinanderreihung ein stereoskopisches 360 Grad-Erlebnis für das Publikum entstehen konnte.
Der Zuschauer ist in shifting_perspective nicht einfach nur ein Betrachter, sondern der Regisseur seines eigenen Blicks. Ich genieße es, mich während der Vorstellung in meinem Schreibtischstuhl um meine eigene Achse drehen zu können – oder ganz still darin zu verharren, wenn mir danach ist. Lange schon habe ich kein so durchweg virtuoses tänzerisches Ensemble mehr auf der Bühne erlebt, wie das des Staatstheaters Augsburg. Statt in Tutu und Spitze erkunden sie den Raum in Streetwear – und bauen durch ihren Blickkontakt mit der Kamera eine Bindung zu ihren Zuschauern auf, die ich in ähnlichen Form noch nie in einer normalen Tanztheatervorstellung gespürt habe.
Ich kann euch sehr empfehlen, euch das VR-Headset für eure Ballettaufführung der etwas anderen Art von der Firma Frontrow nach Hause schicken zu lassen. Euren Besuch auf der virtuellen Bühne solltet ihr in jedem Fall gut planen: Denn die VR-Brille könnt ihr nur zwei Tage behalten. Der Rückversand ist anschließend ganz einfach mithilfe des beigelegten Rücksendeetiketts möglich. 17,90€ kostet ein Theater- oder Balletterlebnis des Staatstheaters Augsburg, das über Frontrow bestellt werden kann – zuzüglich 11,20€ für den Hin- & Rück-Versand.
Wenn ihr in Augsburg wohnt, könnt ihr euch eure VR-Brille auch direkt vom Theater liefern lassen. Ein Ticket für eine VR-Vorstellung kostet in diesem Fall 25€ via Boxbote – die Lieferung und Abholung der Brille mit aufgespielter Theater-Produktion sind dabei inklusive. Weitere Informationen dazu findet ihr hier:
https://staatstheater-augsburg.de/vr_theater_at_home
Ich habe dank dieser Inszenierung auf jeden Fall Feuer gefangen für Kulturerlebnisse in der virtuellen Realität und werde dem Staatstheater Augsburg bestimmt bald wieder einen digitalen Besuch abstatten. Denn auch wenn ich mich sehr darauf freue, wieder einen echten Theaterraum zu betreten: Innovative Projekte wie die VR-Inszenierungen des Staatstheaters Augsburg beweisen einmal mehr, wie sehr diese Zeit des Umbruchs von einigen Häusern als Chance ergriffen wurde, neue Wege in Sachen Kulturvermittlung zu gehen.
shifting_perspective – A Virtual-Reality Dance-Experience
Idee: André Bücker
Konzept und Musikauswahl: Ricardo Fernando & Carla Silva
Choreographie: Tänzer/innen des Ballett Augsburg
Dauer: Ca. 45 Minuten
Bestellbar über Frontrow (17,90€ zzgl. 11,90€ Versandkosten)
Oder direkt über das Staatstheater Augsburg und den Lieferdienst Boxbote (für alle, die in Augsburg leben; 25€)
Die Brille kann bis 17 Uhr vorbestellt werden und erfolgt noch am selben Tag bis 21 Uhr durch die Kuriere von Boxbote.
- Instagram @frontrow_vr, staatstheater_augsburg
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