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#Interview mit dem Geigenbaumeister Robert Eibl

Zum sechsten Mal finden in diesem Jahr die Münchner Geigentage statt: Vom 9. bis 26. Mai 2019 gewähren die ansässigen Geigen- und Bogenbauer im Bayerischen Nationalmuseum einen Einblick in ihr Handwerk und laden zu Vorträgen, Ausstellungen und Konzerten ein. Ein Gespräch mit Robert Eibl, einem der Organisatoren der Münchner Geigentage, den richtigen Klang und die Frage, ob man auch mit 75 Jahren noch Geige lernen kann.

Wer die Werkstatt des Geigenbaumeisters Robert Eibl in München-Haidhausen zum ersten Mal betritt, hat den Eindruck, sich inmitten einer großen Schatzkammer zu befinden. Unzählige Geigen und Celli zieren die Wände des kleinen Raums in der Bazeillesstr. 7, in dem jeder Quadratmeter von einem Streichinstrument ausgefüllt wird. Seit 1983 arbeitet Robert Eibl, der aus einer Münchner Musikerfamilie stammt, selbständig als Geigenbauer in Haidhausen und hat vor 12 Jahren seine jetzige Werkstatt zwischen dem Rosenheimer Platz und dem Ostbahnhof bezogen. 

Ende der 1990er Jahre hatte Eibl gemeinsam mit einigen Kollegen die Idee, im Rahmen einer Leistungsschau einen Querschnitt des Streichinstrumentenbaus in München zu präsentieren. Denn nach der lombardischen Stadt Cremona, die weltberühmt ist für ihre überall in der Stadt verbreiteten Geigenbau-Werkstätten, hat die bayerische Landeshauptstadt mit rund 50 Vertretern dieser Zunft weltweit die zweithöchste Dichte an Geigenbauern an einem Ort zu verzeichnen.

Seit 1997 finden daher die Münchner Geigentage in einem Turnus von rund drei Jahren in München statt. In diesem Jahr laden 28 Münchner Geigen- und vier Bogenbauern zwischen 09. und 26. Mai Profimusiker und Musikliebhaber ins Bayerische Nationalmuseum ein, wo sie drei Wochen lang nicht nur Einblick in ihren traditionsreichen Beruf gewähren, sondern im Rahmen verschiedener Vorträge auch für Gespräche über die Kunst des Streichinstrumentenbaus zur Verfügung stehen. Darüber hinaus kann man als Besucher der Geigentage renommierte Musiker wie den Cellisten Maximilian Hornung, die Violinistin Sarah Christian oder die Mitglieder des Goldmund Quartetts auf der Bühne des Mars-Venus-Saals im Bayerischen Nationalmuseum erleben.
Ich hatte die Gelegenheit, mich anlässlich der Münchner Geigentage mit Robert Eibl über seinen Beruf, teure Stradivaris, den richtigen Klang und die Frage, ob man auch mit 75 Jahren noch Geige lernen kann, zu unterhalten.
Wie lange sind Sie schon in diesen Räumen in Haidhausen mit Ihrer Werkstatt?

Seit 13 Jahren. Davor habe ich 16 Jahre direkt im Nebengebäude gearbeitet. Der Vorteil meiner jetzigen Werkstatt ist, dass ich hier einen zusätzlichen Raum nutzen kann. Gegründet habe ich meine Werkstatt für Geigen- und Gitarrenbau 1983 in Haidhausen.

Wie war Ihr Werdegang als Geigenbauer?

Ich habe zunächst eine Ausbildung als Schreiner absolviert. Es war kaum möglich kreativ zu arbeiten, daher habe ich im Anschluss an die Ausbildung nach einer neuen Herausforderung gesucht. Mein Vater, der zur selben Zeit einen Film über bayerische Volkskultur drehte, war damals in Mittenwald, wo sich die Staatliche Fachschule für Geigenbau befindet. Es war möglicherweise ein kleiner Hintergedanke seinerseits dabei, als er mir nahelegte, mir das Angebot der Schule mal genauer anzusehen. Denn mein Vater hoffte als studierter Gitarrist wohl darauf, dass ich ihm später Konzert-Gitarren bauen könnte – was ich auch tat.

Eine musikalische Vorprägung war also auf jeden Fall bei Ihnen vorhanden.  

Definitiv. Ich habe auch selbst Geige gespielt. Für eine Profi-Karriere wären allerdings noch einige Übungsstunden mehr vonnöten gewesen.

Wer war damals Ihr Lehrer?

Ein Konzertmeister des Münchner Rundfunkorchesters, der sehr nett und freundlich war. Die Stunden waren angenehm für mich, zur Gehörbildung spielte mir Gerhard Seitz viel auf seiner Geige vor.

Spielen Sie heute noch Geige?

Theoretisch ja – praktisch nur noch zum Stimmen. Im Moment habe ich mich dem Cello verschrieben, weil ich mit der Gruppe Kildan arabische Musik spiele.

Ist es Ihrer Meinung nach wichtig, als Geigenbauer selbst ein Streichinstrument zu spielen?

Das ist hilfreich, jedoch nicht Voraussetzung. Zum Bauen braucht man viel handwerkliches Geschick und Liebe zum Detail, jedoch kein musikalisches Fachwissen. Für den Klangtest benötigt man einen Musiker, und das kann auch der Geigenbauer selbst sein.

Für mich als Außenstehende hat der Geigenbau auch viel mit Kunst zu tun – schließlich erschafft man mit einer Geige keinen Gebrauchsgegenstand.

Diese Einschätzung unterstreicht wieder den Mythos der Geige. Sie muss natürlich sehr schön aussehen und klingen, damit die Kunst des Spielens zum Tragen kommen kann.

Wer zählt zu Ihren Hauptkunden?

Anfänger, Fortgeschrittene, Profis. Es gibt sehr viele Amateure, die über den Geigenunterricht hinaus weiterhin ihr Instrument spielen möchten. Musiker, die in den großen Münchner Orchestern engagiert sind.

Eignet sich die Geige Ihrer Meinung nach als Einstiegsinstrument?

Absolut! Zwischen dem 2. und 6. Lebensjahr findet bei den Kindern vor allem eine Art musikalischer Früherziehung statt. Danach geht es darum, die motorischen Fähigkeiten der Schüler auszubilden und zu fördern.

Ich wollte als Kind auch unbedingt Geige lernen. Meine Eltern haben sich aber vermutlich etwas davor gescheut, mir zu Hause stundenlang beim Üben zuhören zu müssen. So fiel die Wahl meines Instruments schließlich doch auf das Klavier.  

Das Klavier hat insofern einen besseren Ruf, da sofort ein Ton herauskommt, wenn man eine Taste drückt. Bei der Geige muss man sich erst einmal bemühen, dass sie einen schön klingenden Ton von sich gibt. Etwa drei Jahre brauchen Kinder, um ihre eigene Feinmotorik auszubilden – egal, ob sie mit 6, 10 oder 15 Jahren mit dem Geigenspiel beginnen.

Welche der kleineren Geigen und Celli, die wir vor uns hängen haben, sind ein geeignetes Einstiegsinstrument?

Fast jede. Der Spieler benötigt ein Instrument, das ihm liegt. Ich empfehle passend zu der Körpergröße meiner kleinen Kunden das geeignete Instrument. Natürlich haben die Lehrer das letzte Wort, bestätigen aber fast immer meine Wahl, oder schicken die Kinder zum Aussuchen oder Überprüfen der richtigen Größe zu mir.

Wie verläuft ein typisches Erstgespräch mit den Eltern, die bei Ihnen eine Geige für Ihr Kind kaufen möchten?

Alle Gespräche verlaufen individuell. Die meisten Eltern stellen schnell fest, dass die Preise für den Kauf einer Geige relativ hoch sind. Darum mieten sie meistens ein Instrument für ihre Kinder. Die Spielfreude und der Lernerfolg wird durch gutklingende Instrumente wesentlich unterstützt. So ist es für mich selbstverständlich, dass ich alle Instrumente nicht nur spieltechnisch, sondern auch klanglich optimiere. Ich freue mich sehr, dass von den Kindern, für die Instrumente bei mir ausgeliehen oder gekauft wurden, kaum eines nachher mit dem Geigenspiel aufgehört hat, jedenfalls nicht wegen dem Instrument. Durch den guten Klang werden Spieler und Zuhörer glücklich.

Ist der Klang das Entscheidende an einer Geige?

Ja klar. Ein schönes Aussehen und ein guter Klang sollten zusammen gehören. Der Musiker und seine Instrumente müssen die ideale Kombination ergeben. Ohne den Musiker ist ja kein Ton zu hören.

Spielt das entsprechende Holz in Bezug auf den Klang der Geige auch eine Rolle?

Ja, gutes Holz ist wichtig. Wir arbeiten hauptsächlich mit Fichte und Ahorn. Je nach Wachstum hat das Holz eine unterschiedliche Qualität, die für den Geigenbau geeignet sein muss. Für die Decke nimmt man Fichtenholz, denn es ist leicht, fest und bei einer entsprechenden Dichte des Holzes wird der Klang der Geige sehr gut. Im harten Holz des Ahorn fand man das beste Material für den Korpus. Und die Maserung kann sehr dekorativ wirken.

Welche unterschiedlichen Lacke verwendet man, um das Holz vor chemischen und mechanischen Schäden zu schützen?

Die einfachste Form der Lackierung ist der Öllack – dabei handelt es sich um trocknende Öle. Daneben gibt es Harze, die in ätherischen Ölen oder Alkohol aufgelöst werden. Wenn man über Kunstharzlacke spricht, dann geht es um die moderne Lackindustrie, die sich vor etwa 100 Jahren entwickelt hat. Acryllacke haben eine lange Lebensdauer, aber die Oberfläche fühlt sich anders an. Die Haptik von natürlichen Öl- und Harzoberflächen schätzen die Spieler mehr.

Wie viel kostet eine gute Geige mindestens?

Was ist eine „gute Geige“? Es geht um die Herstellung des Instruments, auch um die Spielbarkeit und den Klang, die viel Aufmerksamkeit und Arbeitsaufwand beanspruchen können. Man rechnet für den Bau im Mittel mit ca. 200 Arbeitstunden.

Sind die Geigen aus Osteuropa und aus China zu einer ernsthaften Gefahr für das Geschäft der europäischen Geigenbauer geworden?

Nein, denn die Geigen bedürfen immer einer feinen Bearbeitung und Einstellung. Das ist bei Serienherstellern kalkulatorisch schlecht möglich. Die Herstellung der Geigen hat sich zwar seit dem Beginn des 18. Jahrhunderts nicht wesentlich geändert, aber es braucht immer noch viel Wissen, um sie klanglich bearbeiten zu können.

Das Geigenbau-Handwerk wird also nie aussterben. Wie kamen Ihre Kollegen und Sie auf die Idee, die Münchner Geigentage zu organisieren?

Wir wollten in München eine größere Plattform schaffen, wo wir unser Handwerk präsentieren können. Denn viele Musiker finden ansonsten vor allem über Empfehlungen den Weg in unsere Werkstätten. In und um München findet man rund 50 Geigenbauer – nur im italienischen Cremona gibt es noch mehr Werkstätten unserer Zunft. Dort befindet sich aber auch eine bedeutende Geigenbau-Schule und die Schüler siedeln sich nach dem Abschluss ihrer Ausbildung oft dauerhaft in Cremona an. Aus der Zwangslage heraus, dass wir Geigenbauer hier in München doch recht zahlreich vertreten sind, haben wir eine Tugend gemacht und immer wieder Ausstellungen organisiert. 1997 haben wir begonnen – heute beteiligen sich 32 Kollegen an den Geigentagen, die sich aus der Idee einer gemeinsamen Ausstellung heraus entwickelt haben.

Kommen vor allem Profi-Musiker zu den Geigentagen?

Ja, aber auch viele interessierte Besucher die sich über das Geigenspiel und die Instrumente informieren möchten.

Ich hätte bei so vielen Geigenbauern in München mit mehr Konkurrenz und nicht mit so viel Kooperationswillen gerechnet.

Es gibt mittlerweile viele jüngere Kollegen, für die der Austausch untereinander etwas ganz Natürliches ist. Und da es in einer Stadt wie München mit einer großen Anzahl an Orchestern einen großen Bedarf gibt, spielt der Konkurrenzgedanke bei uns keine Rolle.

Bilden Sie eigentlich auch selber Lehrlinge in Ihrer Werkstatt aus?

Ich selbst habe drei Lehrlinge in meiner Werkstatt ausgebildet. Da die Ausbildung sehr kosten- und zeitintensiv ist, wird in Betrieben wenig ausgebildet.

Die meisten Geigenbauer lernen ihren Beruf in der staatlichen Berufsfachschule für Geigenbau in Mittenwald. An Nachwuchs mangelt es im Moment nicht.

Kommen eigentlich auch Kunden zu Ihnen in die Werkstatt, die das Geigenspiel erst im Erwachsenenalter gelernt haben?

Ja, es gibt viele Interessierte. Manche erfüllen sich einen Lebenstraum, unabhängig vom Alter. Wer schon ein Instrument beherrscht, hat es leichter.

Aber es wäre Ihrer Meinung nach durchaus eine Überlegung wert, in meinem Fall mit über 30 Jahren noch mit dem Geigenspiel zu beginnen.

Musizieren und Lernen ist unabhängig vom Alter. Ich hatte schon oft etwa 75-jährige Kunden im Laden stehen, die mich fragten, ob sich das Geigenlernen überhaupt noch für sie lohnen würde. Meine Antwort darauf ist ganz einfach: „Wie alt wollen Sie werden? Rechnen Sie ca. drei bis fünf Jahre Lernzeit ein, um die Geige gut beherrschen zu können – wie lange haben Sie dann noch viel Freude am Musizieren?“


Mehr über die Münchner Geigentage 2019: 

http://www.muenchner-geigentage.de

Mehr über den Geigenbaumeister Robert Eibl: 

http://www.eibl-geigenbau.de/

 

2 Antworten auf „#Interview mit dem Geigenbaumeister Robert Eibl“

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