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Haltung&Fall: Zu Gast im Marta Herford

Im August 2019 war ich nach einem Jahr wieder zu Gast im Marta Herford in der nordrhein-westfälischen Stadt Herford, um dort an einem Instawalk des Museums für Kunst, Architektur, Design anlässlich der Ausstellung „Haltung&Fall. Die Welt im Taumel“ teilzunehmen. Bis zum 06.10. ist die sehr sehenswerte, interaktive Schau mit Werken von Künstlern wie Alexandra Bachzetsis, Naufus Ramírez-Figueroa, David Shrigley oder Mona Hatoum noch im Marta Herford zu sehen (Werbung / Einladung / Bloggerreise).

Ich bin wieder einmal überwältigt von Frank Gehrys architektonischem Meisterwerk aus 180.000 roten Klinkersteinen und 400 Tonnen glänzendem Stahl, als ich im August 2019 vor dem Marta Herford stehe. 2005 wurde der spektakuläre Bau des kanadisch-US-amerikanischen Stararchitekten und Designers in der Kreisstadt Herford in Nordrhein-Westfalen eröffnet. Ursprünglich war dieses Museum Ende der 1990er Jahre als „Haus des Möbels“ angelegt, da Herford bis heute ein bedeutender Standort der Möbelindustrie ist. 1861 gründete der Unternehmer Gustav Kopka hier die erste fertigende Möbelfabrik und legte damit den Grundstein für die Herforder Möbelindustrie.

So spannend die Geschichte der Industriekultur der Stadt auch sein mag: Es ist ein Glücksfall, dass das Projekt Marta Herford – m für Museum, art für Kunst und a für Ambiente bzw. Architektur – schließlich größer und innovativer gedacht wurde. Aus der Grundidee heraus, zeitgenössische Kunst mit Design und Architektur zu verbinden, entstand ein Museum, das sich durch seine einzigartige Architektur auszeichnet und Raum für spektakuläre Ausstellungen wie „Willkommen im Labyrinth. Künstlerische Irreführungen“ im vergangenen Jahr bietet. 

Besonders die Installation Everywhere des chinesischen Künstlers Song Dong hatte es den Teilnehmern des Instawalks des Marta Herford, für den ich Ende August 2018 zum ersten Mal nach Ostwestfalen reist, angetan. Ein Fest für alle Sinne und das wohl meist fotografierte Objekt im Rahmen unserer Entdeckungsreise durch die „Willkommen im Labyrinth“-Ausstellung. Fast ein Jahr später durfte ich im August 2019 wieder im Marta Herford zu Gast sein und am Instawalk anlässlich der Ausstellung „Haltung&Fall. Die Welt im Taumel“ teilnehmen.

Haltung bewahren, achtsam sein und Denkmuster kritisch hinterfragen: In Zeiten weltweit aufkeimender autoritärer und nationalistischer Tendenzen ist der Einzelne immer stärker gefordert, Stellung zu beziehen. Die Gefahr, dass das eigene Weltbild inmitten der medialen Reizüberflutung ins Wanken gerät, ist groß. Dabei kann gerade das Sich-Fallenlassen der entscheidende Auslöser dafür sein, sich aus vorgefertigten Mustern und Schemata zu lösen.

KünstlerInnen wie Alexandra Bachzetsis, Marcel Dzama, Valérie Favre, Mona Hatoum, Katie Holten oder Naufus Ramírez-Figueroa nahmen den Titel der Ausstellung „Haltung&Fall“ im Marta Herford zum Anlass, um in ihren Fotografien, Malereien, Zeichnungen, Skulpturen, Installationen, Videos und Performances auf poetische Art und Weise über die Widersprüchlichkeit, aber auch über die verbindenden Elemente dieses Begriffspaars zu reflektieren. In der Überwindung physischer und psychischer Grenzen ging dabei niemand so weit wie der mexikanische Künstler Naufus Ramírez-Figueroa, der am Eröffnungsabend der Ausstellung seine sehr persönliche Performance „Rainbow Action (after Cezary Bodzianowski)“ im Marta Herford präsentierte.

Noch bevor wir Blogger Anfang August 2019 im Marta Herford die Ausstellungsräume betraten, wurden wir dazu aufgefordert, uns aktiv in die Ausstellung einzubringen. Ist die Kunst frei? heißt es auf den Treppenstufen, die zum Sprung auf eine Turnmatte einladen. Der Aufprall nach dem Fall ist wesentlich härter, als vermutet – da schließt sich die Frage Darf der Körper meine gesellschaftliche Rolle bestimmen? an der Spiegelwand abseits der Turnmatte beinahe wie von selbst an.

Gleich im ersten Raum entdecke ich mit The fall des deutschen Videokünstlers Peter Welz ein Kunstwerk, vor dem ich lange verweile. Auf drei ineinandergeschobenen, gegenläufig gewölbten Wänden wird der geräuschlose, dumpfe Aufprall des Körpers zweier Tänzer dokumentiert, die sich in sisyphosartiger Manier immer wieder aufrichten und ohne Widerstand nach vorne fallen lassen. Die Dynamik der Wiederholung zwingt ihren Betrachter zum Innehalten – Peter Welz ist mit The fall eine faszinierende und gleichzeitig sehr beklemmende Installation gelungen.

Harmlos sieht die Bühne im anschließenden Raum auf den ersten Blick aus – doch ich zögere zunächst, mich ihr zu nähern. Denn ich ahne, dass sich eine große Bedrohung hinter der scheinbaren Harmlosigkeit dieses Ausstellungsobjekts verbirgt. Stage, die Installation des dänischen Künstlers Christian Falsnaes aus dem Jahr 2017, ist ein Experimentierfeld der besonderen Art: Über Kopfhörer erhalten die BesucherInnen, die sich auf die Bühne begeben, genaue Handlungsanweisungen, denen sie unbedingt Folge zu leisten haben. Oder etwa nicht? Es ist spannend und bisweilen befremdlich, die Museumsbesucher, die dieses Kunstwerk durch ihr Mitwirken erst zum Leben erwecken, auf diesen paar Quadratmetern zu beobachten. Denn ich stelle dabei fest, wie wenig die meisten von ihnen ihr eigenes Handeln hinterfragen. Stage ist eine Arbeit, die mich sehr nachdenklich stimmt.

Ebenso interaktiv wie bei dieser Installation geht es im nächsten Raum bei Limits of Control des tschechischen Objekt- und Installationskünstler Robert Barta weiter: 500.000 Kugellagerkugeln hat er auf dem Boden ausgeschüttet, durch die der Besucher beim Betreten des Kunstwerks ordentlich ins Straucheln gerät. So wie ich selbst auch (danke für dieses wunderbare Video, liebe Kulturtussi 🙂

 

 

…heißt es in der Ausstellung „Haltung&Fall“: Für mich eine der wichtigsten Aussagen in Bezug auf die Installation von Robert Barta und auf die Ausstellung an sich. Eine unnatürliche, absurde und höchst amüsante Pose nimmt Bartas Hula-Hoopschwingender Kaktus in der Installation Move it! (2010) in einem der weiteren Ausstellungsräume ein. In die Gefahr, herunterzufallen, gerät der Reifen nicht: Denn er beginnt seine Bewegung immer wieder von vorn. Doch das Material wird irgendwann nachlassen, so dass der Reifen nach einigen Wochen ausgetauscht werden muss. Der Kaktus und seine Umgebung bilden den perfekten Rahmen für unser Gruppenfoto: 

Konzipiert wurde „Haltung&Fall“ von der Kuratorin Ann Kristin Kreisel, die schon im vergangenen Jahr bei unserem Instawalk durch die ebenfalls von ihr kuratierte Ausstellung „Willkommen im Labyrinth“ mit dabei war. Mit „Haltung&Fall“ ist es Kreisel und Team des Marta Herford wieder einmal gelungen, eine Ausstellung zu konzipieren, in der sich ein hoher intellektueller und ästhetischer Anspruch mit einer unmittelbarer Verständlichkeit des Gesehenen verbindet.

Wie schön, dass ich hier wieder auf die „Kulturtussi“ Anke von Heyl getroffen bin: Sie selbst und ihr Kollektiv für Kreativitätscoaching und Kulturevents „Die Herbergsmütter“ haben bereits sehr lesenswerte Beiträge über „Haltung&Fall“ auf ihren Blogs veröffentlicht. Und auch über das Wiedersehen mit den beiden italienischen Bloggerinnen Camilla und Giulia von girlsinsmuseums, die 2018 ebenfalls bereits zu Gast im Marta Herford waren, habe ich mich sehr gefreut.

Mein großer Dank geht an die Pressesprecherin des Marta Herford, Daniela Sistermanns, sowie an ihre Mitarbeiterinnen Marcella Ranft und Jasmina Janoschka für die erneute Einladung nach Herford und die hervorragende Organisation des Instawalks!

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Mehr Infos über die Ausstellung „Haltung&Fall“: 

https://marta-herford.de/ausstellungen/haltung-fall/

Mehr Infos über das Marta Herford: 

Instagram @martaherford

Facebook @martaherford

 

5 Antworten auf „Haltung&Fall: Zu Gast im Marta Herford“

Liebe Lena,

wie schön, dass mir die Ausstellung jetzt nochmal wieder ins Gedächtnis gerufen wird. Ich war ja tatsächlich zweimal da und das hat sich total gelohnt. Ich hab übrigens auch drüben auf der Kulturtussi einen Beitrag zur Ausstellung geschrieben. Ich verlinke den hier mal, wenn du nichts dagegen hast, ja?
https://www.kulturtussi.de/haltung-und-fall/

Ich grüße ganz herzlich nach München. Bis ganz bald wieder …

Anke

Liebe Anke,

es ist immer wieder eine große Freude, dich zu sehen: Ob in Dortmund, Herford oder anderswo 🙂 Ich freue mich sehr, dass uns unsere Aktivitäten im Kulturbereich letztes Jahr im Marta Herford zusammengeführt haben! Deinen Blogartikel zu „Haltung&Fall“ habe ich gleich mal in meinem Artikel verlinkt – vielen Dank für den Hinweis!

Liebe Grüße,

Lena

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