Am 24.09.2020 erlebte ich den Pianisten Igor Levit zusammen mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks zum ersten Mal live auf der Bühne. Eine bewusstseinserweiternde musikalische Erfahrung.
Ich hatte viele Bilder und Eindrücke von Igor Levit im Kopf, als ich mich an einem Donnerstagabend Ende September 2020 auf den Weg in den Münchner Herkulessaal machte. Da sind die Erinnerungen an seine Hauskonzerte während des Lockdowns, seine Twitter-Postings gegen Rassismus und Rechtsextremismus, seine zahlreichen Interviews und seine öffentlichen Auftritte als Talkgast wie zuletzt mit der Klimaaktivistin Luisa Neubauer im Berliner Kulturkaufhaus Dussmann: Schon lange fasziniert mich Igor Levits Leben zwischen virtuoser Bühnen- und medialer Dauerpräsenz.
Als der Pianist am 24.09.2020 im Münchner Herkulessaal die ersten Takte von Ludwig van Beethovens Klavierkonzert Nr. 1 C-Dur, op. 15 anstimmte, hatte man als Zuschauer den Eindruck, als säße man ihm direkt gegenüber. Levit gelang es gemeinsam mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks unter der Leitung von Riccardo Minasi, eine Atmosphäre zu schaffen, in der der Eindruck entstand, als würden die Musiker für jeden einzelnen Zuschauer im Saal persönlich spielen.
Igor Levit, der im vergangenen Herbst eine hochgelobte Gesamtaufnahme aller 32 Klaviersonaten von Ludwig van Beethoven veröffentlichte, setzte mit seiner Interpretation des Klavierkonzerts Nr. 1 C-Dur, op. 1 an diesem Abend im Herkulessaal eine Energie in diesem Konzertraum frei, wie ich sie selten zuvor bei einem Konzert erlebt habe. Zwischen Zartheit und Expressivität, zwischen schwelgerischen Klängen und extremen Ansätzen bewegte sich sein Spiel, das den auf mich oft so kühl wirkenden Herkulessaal in einen intimen Konzertraum verwandelte. So gespalten ich oft in Bezug auf Igor Levits Selbstinszenierung in den sozialen Netzwerken bin: Den Starkult, der in den vergangenen Jahren um ihn herum entstand, kann ich nach diesem musikalischen Erweckungserlebnis im Herkulessaal noch besser verstehen.
Egal, was man von der derzeitigen medialen Omnipräsenz des Künstlers mag: Auf der Bühne ist er in jedem Moment ganz bei sich selbst. Ich nehme ihn als einen Menschen wahr, der sich trotz seines überwältigenden Erfolgs voll und ganz in den Dienst der von ihm gespielten Stücke stellt. Sein bescheidenes Auftreten beim Applaus ist keine Koketterie: Denn trotz aller Genialität weiß Igor Levit, dass er sich bei einem Konzert wie diesem ohne die Mitglieder des Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks und den Dirigenten Riccardo Minasi nicht in einer derartigen Höchstform vor dem Publikum hätte präsentieren können.
„Jede echte Erzeugung der Kunst ist unabhängig, mächtiger als der Künstler selbst und kehrt durch ihre Erscheinung zum Göttlichen zurück und hängt nur darin mit dem Menschen zusammen, daß sie Zeugnis gibt von der Vermittlung des Göttlichen in ihm“, hat Ludwig von Beethoven einmal gesagt. Wenn man Igor Levit in einem Live-Konzert erlebt, bekommt man als Zuschauer eine Ahnung von dieser göttlichen Gabe eines Künstlers, von der Beethoven einst sprach. Als Zugabe spielt Levit an diesem Donnerstagabend im Herkulessaal das Stück „Trees“ des US-amerikanischen Jazzpianisten Fred Hersch, der dieses während des Corona-Zwangspause im Frühjahr für Levit schrieb. Welch ein überwältigendes Konzerterlebnis, das noch lange bei mir nachwirken wird.
Mehr Informationen über Igor Levit und das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks:
Instagram @brsorchestra
Facebook @BRSO
Twitter @BRSO
Das nächste gemeinsame Konzert findet am 30. Oktober 2020 statt.
2 Antworten auf „Musiker. Magier. Mensch.“
So viel Liebe – wunderbar! <3
❤️ Vielen Dank, liebe Catherine!