Kategorien
Allgemein Kunstgeflüster Reisegeflüster

#Instameet im Marta Herford

Am 01.09. fand der erste #Instameet im Marta Herford, einem Museum für zeitgenössische Kunst, Design und Architektur in der ostwestfälischen Stadt Herford statt. Ein Rückblick auf einen ganz besonderen Tag…

Meine Beziehung zum Museum Marta Herford begann Mitte 2017 auf Instagram: Dort folge ich zunächst Daniela Sistermanns, der Pressesprecherin des in der ostwestfälischen Kleinstadt Herford gelegenen Museums für zeitgenössische Kunst, Design und Architektur. Auf ihrem Account entdeckte ich durch Zufall eines der berühmten Fotos, die der Fotograf Robert Lebeck 1981 in dem bretonischen Kurort von Romy Schneider für einen Artikel im Nachrichtenmagazin Stern machte. Ich schrieb Daniela an und erzählte ihr, dass ich für einen Münchner Independent-Filmverleiher arbeite, der einen Film über exakt diese Zeit in Romy Schneiders Leben im April 2018 in die deutschen Kinos bringt. Ein paar Monate trafen später trafen Daniela und ich uns zum ersten Mal persönlich während der Kinotour zu Emily Atefs Drama 3 Tage in Quiberon in der Lichtburg Essen.

Damals folgte ich bereits sehr längerem nicht nur ihr, sondern auch dem Account des Marta Herford, für das Daniela seit 2016 arbeitet, auf Instagram. In meinem Kulturjahresausblick für das Jahr 2018 nahm ich mir vor, diesem außergewöhnlichen Museum im Laufe des Jahres unbedingt einen Besuch abzustatten.

Über die 66.000 Einwohner zählende Kreisstadt Herford wusste ich vor dem #Instameet am vergangenen Wochenende wenig. Rund 18km nordöstlich von Bielefeld gelegen, entwickelte sich Herford im Mittelalter zu einer bedeutenden Handels- und Hansestadt Westfalens. Zur Zeit der industriellen Revolution errichtete der Unternehmer Gustav Kopka 1861 die erste Möbel-Fabrik mit Serien-Fabrikation in der Stadt mit dem Ziel, preisgünstige Küchenmöbel herzustellen. Er legte damit den Grundstein für die Entwicklung einer Möbelindustrie von internationaler Bedeutung im heutigen Kreis Herford. Der heute bekannteste Exportschlager der Stadt sind die Küchenmöbel der seit 1897 in Herford ansässigen Firma Poggenpohl Möbelwerke GmbH.

Auch die Möbelwerke Stiegelmeyer GmbH & Co. KG, Deutschlands größter Hersteller von Krankenhausbetten, haben ihren Sitz in Herford. Darüber hinaus findet man hier viele Internetküchen-Händler wie Discountkuechen.de oder Kueche24.com. Nicht nur in der Möbel-, sondern auch in der Textilbranche stößt man in dieser ostwestfälischen Kreisstadt auf die Namen bedeutender Unternehmen wie der 1947 gegründeten Bugatti GmbH.

Marta: Der Name steht für m wie Museum, art wie Kunst und a für Ambiente bzw. Architektur. 2005 gegründet, zählt das Gebäude des weltberühmten amerikanischen Architekten Frank Gehry mit seinen dunkelroten Backsteinen, die einen Kontrast zu dem hellen Edelstahldach und dem weiß verputzten Gebäudekern bilden, zu einem der herausragendsten Museumsbauten weltweit. Gehry, der unter anderem das Guggenheim-Museum in Bilbao oder Walt Disney Concert Hall in Los Angeles entwarf, schuf für das Marta Harford mit seinen vielen fließenden und kippenden Wänden ein Architekturkonzept, das die darin ausstellenden Künstler dazu animiert und herausfordert, ihr jeweiliges Kunstwerk in Beziehung zu dem ihm umgebenden Raum zu stellen.

Warum ein so visionärer Bau aus 180.000 roten Klinkersteinen und 400 Tonnen glänzendem Stahl ausgerechnet in der beschaulichen Stadt Herford steht? 1996 regte der nordrhein-westfälische Wirtschaftsminister Wolfgang Clement an, in Herford als deutsches Zentrum der Möbelindustrie ein branchenbezogenes Kompetenzzentrum zu errichten. Aus einem angedachten „Haus des Möbels“ entwickelte sich im Laufe der Zeit die Idee zu einem Museum für zeitgenössische Kunst, Design und Architektur. Nicht alle Herforder standen dem ambitionierten, 31 Millionen Euro teuren Projekt im Eröffnungsjahr des Marta Herford 2005 positiv gegenüber. Doch ihre Einstellung sollte sich im Laufe des vergangenen 13 Jahre durch das Engagement des Marta-Teams und dessen Anstöße im Bereich der Kunstvermittlung ändern.

„Es gehört zu den Besonderheiten und Merkwürdigkeiten von Marta, dass es angeblich im Nirgendwo, in der Pampa, eben in Ostwestfalen liegt. Und weil dem so ist, haben viele von dem Museum gehört, obwohl sie noch nie da waren. Der Weg zum Marta ist also eine wesentliche Frage – sowohl, was die Identität, aber auch, was die Praktikabilität betrifft“, heißt es in Museum Unplugged. Eine Selbstbefragung, einer etwas anderen Festschrift von Friedrich von Borries und dem derzeitigen Leiter des Marta Herford, Roland Nachtigäller, anlässlich des 10-jährigen Jubiläums des Museums 2015. Geschickt gelingt es den beiden in diesem Sammelband, kunsttheoretische Fragestellungen wie diejenige nach dem Geschlechterverhältnis in der Kunstwelt mit ganz praktischen Themen wie die Kosten für das Museum und seine Mitarbeiter zu verknüpfen.

Sehr offen und begeisterungsfähig präsentieren sich das Marta Herford und seine Mitarbeiter nicht nur in dieser Festschrift, sondern auch am Morgen des 31. August im Rahmen des allerersten #Instameets des Museums. Mein Account zählt hier Follower-technisch definitiv zu den kleinsten, wenn ich mir die Abonnenten-Zahlen der anderen Teilnehmer ansehe. Der Werbefotograf Sebastian Spasic alias AKUsepp versammelt mit über 268.000 Abonnenten die größte Follower-Schar um sich, Ellen aus Köln kommt mit ihrem Account Dokumentiert auf immerhin stolze 19.400 Abonnenten. Ich freue mich, dass ich in diesem Rahmen zwei mir durch Instagram bekannte Gesichter hier in der Runde entdecke: die_bielefelderin folgt mir erst seit wenigen Wochen auf Instagram, während mir die Kulturhistorikerin Anke von Heyl alias die Kulturtussi schon vor langer Zeit aufgrund ihrer spannenden Beiträge aufgefallen ist. Und dann sind da noch Camilla und Francesca aus Mailand, die 2015 die Initiative Girls in Museums ins Leben gerufen haben. Seitdem sammeln sie angesichts des immer noch bestehenden Gender Gap in der Kunstwelt unter dem Hashtag #girlsinmuseums auf Instagram, Facebook und Twitter Fotos und Erfahrungsberichte von Museumsbesuchen junger Frauen rund um den Globus.

Eine so heterogene Gruppe, deren Teilnehmer trotz aller Unterschiede in der Gestaltung ihrer Instagram-Accounts von Beginn an so gut miteinander harmonieren und sich intensiv austauschen, habe ich selten bei einer Veranstaltung dieser Art erlebt. Das liegt zum einen an den eingeladenen Leuten selbst, aber vor allem auch an der exzellenten Rundum-Betreuung durch das Team des Marta Herford, allen voran durch die Pressesprecherin Daniela Sistermanns. Nach einer Einführung des Museumsdirektors Robert Nachtigäller geht es für die insgesamt 20 Instagrammer in 2 Gruppen durch und in der Architekturführung auch um das Museum herum. Die Kuratorin der noch bis 23. September stattfindenden Ausstellung Willkommen im Labyrinth – Künstlerische Irreführungen, Ann Kristin Kreisel, führt uns als erstes in eines der derzeitigen Highlights des Marta: Die begehbare Skulptur Everywhere des chinesischen Künstlers Song Dong. Sie besteht aus hunderten von alten Fenstern, Türen, Spiegeln und Lampen, die Song Dong jahrelang auf Abrissbaustellen in Peking gesammelt hat. Ein faszinierend schönes, aber auch tieftrauriges Symbol für den radikalen städtebaulichen Wandel. Yogastunden und eine besondere Chorprobe, eine musikalische Meditationsreise und philosophische Diskussionsrunden haben in diesem Ambiente bereits stattgefunden. Denn das Marta mag ein Tempel der modernen Kunst, des Designs und Architektur sein – aber eben keiner, in dem ein elitäres Kunstverständnis zelebriert wird.

Es ist immer wieder sehr spannend zu beobachten, wie sich andere Instagrammer bei einem #Instameet im Museum durch die jeweiligen Ausstellungsräume bewegen. Während ich vor allem die Gesamtatmosphäre der sehr unterschiedlich gestalteten Installationen in meinen Bildern einfangen will, gelingen anderen Teilnehmern, die auch beruflich mit dem Thema Fotografie zu tun haben, faszinierende Detailaufnahmen mit ihren professionellen Kameras in den verschiedenen Räumen. So wie Dashmir Izairi in der nicht einfach abzulichtenden Fadeninstallation Secret Passage der japanischen Künstlerin Chiharu Shiota.

Durch fünf alte Türen, die in den blutroten, netzartigen Fadenkokon verworben sind, haben die Besucher die Möglichkeit, das Kunstwerk auf unterschiedlichen Wegen zu durchschreiten. Dieser Raumkomposition löst bei mir auf eine faszinierende, aber auch bedrückende Art und Weise ein Gefühl von Enge und Weite zugleich aus – ich hätte noch Stunden dort stehen und die unterschiedlichen Eindrücke auf mich wirken lassen können.

Secret Passage hat es vor allem den professionellen Fotografen unter uns angetan, die die Fadenkonstellation an diesem Samstag im Marta Herford en Detail unter die Lupe nehmen. Anderen Instagrammern wie den Camilla und Francesca von Girls in Museums gelingt es, sich perfekt in allen Kunstwerken in Szene zu setzen und auch Tage nach dem #Instameet interessante Stories auf ihren Accounts zu veröffentlichen. Und dann kommt ganz unerwartet MEIN großer Auftritt im Marta Herford: Mit der Arbeit Ohne Titel hat Peter Kogler eine immersive Rauminstallation geschaffen, in die sich mein schwarz-weißes Outfit des Tages perfekt einfügt. Koglers Matrix-Zeichnung betont mit ihren geschwungen Liniendie Gehry-Architektur und wirkt extrem lebendig in diesem Teil der Ausstellung Willkommen im Labyrinth. Ehe ich mich versehe, werde ich zum Kunstwerk im Kunstwerk für die Teilnehmer des #Instameet – ich bin vor allem auf die Bilder, die der Sebastian Spasic in diesem Raum von mir gemacht hat, sehr gespannt.

Am Ende unseres #Instameets bin ich nicht nur froh, dass ich so viele interessante Leute an diesem Tag kennengelernt habe. Das Marta Herford zählt für mich ohne Zweifel zu den eindrucksvollsten, spannendsten Museen, die ich in meinem Leben besuchen durfte. Wie es den Ausstellungsmachern und dem Team der Öffentlichkeitsarbeit gelingt, Kunstwerke von weltberühmten Künstlern in den Museumsräumen zu präsentieren und gleichzeitig immer den Betrachter, der mit moderner Kunst und Architektur eventuell noch nicht oft in Verbindung gekommen ist, im Blick zu haben, ist außergewöhnlich und bemerkenswert. Dafür wurde das Marta Herford 2014 von der AICA, einer nichtstaatlichen Organisation unter dem Dach der UNESCO, die Kunstkritiker aus 61 Ländern vertritt, als Museum des Jahres ausgezeichnet.

Kunstvermittlung wird im Marta Herford groß geschrieben – davon zeugen nicht nur die zahlreichen Führungskonzepte durch das Haus wie die einmal im Monat stattfindende Sonderführung mit den jeweiligen Ausstellungsmachern, sondern auch Angebote wie die „Offene Runde“, bei der in der Kinder und ihre Eltern gemeinsam in der Marta Lobby malen, zeichnen, gestalten, spielen oder experimentieren können.

Wenn ihr euch also fragt, warum in aller Welt man unbedingt nach Ostwestfalen reisen sollte: Des Marta Herford Museums wegen!

Liebe Daniela, mein ganz besonderer Dank geht an dich für die Einladung in den hohen Norden und die kompetente Betreuung an diesem Tag!

(Werbung, Anzeige)


Mehr über das Marta Herford: 

https://marta-herford.de/

Marta Herford Museum für Kunst, Architektur, Design
Goebenstraße 2–10
32052 Herford

Öffnungszeiten
Di bis So und feiertags: 11.00–18.00 Uhr
jeden 1. Mi im Monat: 11.00–21.00 Uhr

https://www.instagram.com/martaherford/

https://www.facebook.com/MartaHerford/

 

14 Antworten auf „#Instameet im Marta Herford“

Liebe Lena,

hab nochmal vielen, vielen Dank, dass Du den weiten Weg aus München angetreten bist und für Dein schönes Resümee! Du hast ja so recht: Der Austausch an diesem Tag war echt etwas Besonderes – es war einfach eine tolle Gruppe! Wir sehen uns hoffentlich das nächste Mal in München! 🙂

Ganz herzliche Grüße
Daniela

Liebe Lena,

ein toller Artikel, den ich gerne gelesen habe. Und ich habe mich auch sehr gefreut, dich kennenzulernen. Also in echt. Virtuell kannten wir uns ja schon. Und das ist jetzt umso schöner nachzuverfolgen, wenn man sich von so einem sehr netten gemeinsamen Nachmittag kennt.

Auf bald – im digitalen oder im analogen Raum. Jede Begegnung ist mir eine Freude.

Herzlichst
Anke

Kommentar verfassenAntwort abbrechen