
Vom Schlagzeug-Studium über Free-Jazz bis hin zu Pop- und Filmmusik: Die Neugier und Experimentierfreude des Komponisten, Produzenten, Arrangeurs und Programmierers Axel Kroell kennt keine Grenzen. Seit vielen Jahren aber schlägt sein Herz vor allem für ein Instrument: Das Klavier. Im Herbst 2019 gründete Axel Kroell daher den Klavier Salon München – eine monatliche Konzertreihe, bei der regionale, nationale und internationale Pianistinnen und Pianisten in seinem Tonstudio Polyester im Münchner Stadtteil Schwabing auf einer ganz besonderen Bühne zu erleben sind. Ein Interview mit dem Axel Kroell über „Sturm der Liebe“, klassische Musik und seine Klavier-Leidenschaft.
Als ich mich im November 2019 zu meinem Interviewtermin mit Axel Kroell aufmachte, staunte ich nicht schlecht: In den Kellerräumen eines großen, unspektakulären Wohnblocks in Nordschwabing öffneten sich die Türen zu einem Tonstudio, in dem seit Herbst vergangenen Jahres jeden Monat Klavierkonzerte mit nationalen und internationalen Meistern ihres Fachs stattfinden. Solo-Konzerte der Werke von Hindemith, Brahms, Bach, Beethoven oder Stravinsky anstatt Piano-Pop oder Crossover-Projekte.
Gegründet wurde das ungewöhnliche Veranstaltungsformat Klavier Salon München von dem Komponisten und Produzenten Axel Kroell, den das Instrument vor allem wegen seiner unglaublichen musikalischen Bandbreite fasziniert. „Mal klingt das Klavier wie ein ganzes Orchester, mal wie eine einzelne, zarte Stimme an einem norwegischen Fjord“. Seit Oktober 2019 werden die Räume von Axel Kroells Tonstudios Polyester im Hinterhof der Leopoldstr. 206 einmal im Monat zu einem Konzertraum, in dem sich Pianistinnen und Pianisten auf dem hauseigenen Konzertflügel Yamaha CFX quer durch die Weltliteratur des Piano spielen. Rund 50 Plätze fasst dieser Konzertsaal der etwas anderen Art: Neben dem akustischen Erlebnis ist es vor allem die große Nähe des Publikums zu den jeweiligen Pianisten, die den großen Reiz dieser Veranstaltungen ausmacht. Um möglichst viele Klavier-Begeisterte an den Konzerterlebnissen teilhaben zu lassen, wird jede Veranstaltung auf der Facebook-Seite des Klavier Salon München live gestreamt.
Für das Auftaktkonzert des „Klavier Salon München“ konnte Axel Kroell am 18.10.2019 den Pianisten Andreas Skouras gewinnen. Im November 2019 war mit Evgeny Konnov ein aufstrebender Musiker auf der Bühne des Tonstudios Polyster zu Gast und im Dezember der renommierte Liedbegleiter Gerold Huber mit einem Solo-Abend.
Wer Axel Kroells Lebenslauf liest, den verwundert nicht, dass ausgerechnet er auf die Idee für die außergewöhnliche Konzertreihe „Klavier Salon München“ kam: Seine gesamte Laufbahn ist geprägt von einer großen Wandlungsfähigkeit und Offenheit gegenüber verschiedenen musikalischen Genres. Im Anschluss an sein Studium an der Musikhochschule Dortmund im Hauptfach Schlagzeug war Axel Kroell 1979 einen Sommer lang Teil des bis heute bestehenden Creative Music Studio in Woodstock im US-Bundesstaat New York. Gegründet wurde es 1971 von dem deutschen Jazz-Vibraphonisten und Pianisten Karl Berger und seinen MitstreiterInnen Ingrid Sertso und Ornette Coleman, um die Auseinandersetzung des Jazz mit internationalen Musikkulturen zu fördern. Das Creative Music Studio wurde zu einem Mekka für eine ganze Generation von Free Jazzern, die mit ihrem freien Improvisationsspiel in den 1960er Jahren für eine Revolution im Bereich des Jazz sorgten.
Nach der prägenden Zeit in Woodstock war Axel Kroell zwischen 1984 bis 1994 zehn Jahre lang als freier Produzent, Songwriter, Arrangeur und Programmierer in New York tätig und arbeitete dort unter anderem mit so renommierten und weltbekannten Bands und Musikern wie Wet Wet Wet, Al Green, Quincy Jones, David Hasselhoff oder Kurtis Blow zusammen. Nach seiner Rückkehr nach München trat er als Produzent für nationale Künstler wie Nena, Such a Surge oder Grandmaster Flash auf. Seit den 2000er Jahren ist Axel Kroell schwerpunktmäßig als Filmkomponist für TV-Serien wie „SOKO München“ oder „Sturm der Liebe“ tätig.
Seine große Leidenschaft aber gilt dem Klavier. Sozialisiert durch klassische Musik, begann er als Schüler, selbst Klavierunterricht zu nehmen, verlegte sich aber dann irgendwann auf das Schlagzeug-Spiel. Seine Liebe für dieses Instrument aber blieb – und fand ihren Ausdruck in eigenem Veranstaltungsformat, das am 22.01.2020 mit dem Konzert von Chris Gall in das neue Jahr startet.
Du hast nach der Schule zunächst ein Schlagzeug-Studium an der Musikhochschule Dortmund abgeschlossen, dann aber mit dem Summer Intensive Creative Music Studio in Woodstock, New York noch einmal einen ganz anderen Weg eingeschlagen.
Ich habe meinem alten Lehrer Karl Berger mit Karl Berger Music Mind sogar eine eigene Dokumentation über diese prägende Zeit in meinem Leben gewidmet. Der ehemalige Assistent von Adorno gründete 1971 in Woodstock mit dem berühmten Free-Jazzer Ornette Coleman und Ingrid Sertso das Creative Music Studio. Für mich gab es damals nur zwei Optionen: Das Berklee College of Music oder das Creative Music Studio. Da man in Woodstock auf viele Impro-Freaks traf, war dieser Ort für mich 1979 die absolut richtige Adresse. Der gemeinsame Sommer mit Jazz-Größen wie Don Cherry oder Roscoe Mitchell damals in einem Motel mitten im Wald war so intensiv, dass ich sogar meinen Geburtstag vergessen habe. Mitten unter uns Studenten war immer mein persönlicher Held Karl Berger, der heute mit seinen 85 Jahren immer noch so voller Leidenschaft für die Musik ist.
Nach dieser Anfangszeit in den USA hast du in New York mit Leuten wie „Wet Wet Wet“ oder Quincy Jones zusammengearbeitet, Musik für Hollywood-Filme arrangiert und Millionen Platten verkauft. Warum wolltest du ab dem Beginn der 2000er Jahre nicht länger Popmusik produzieren?
Als damals Napster und Filesharing groß wurden, ahnte ich bereits, dass die Zeiten für Popmusik-Produzenten nicht unbedingt einfacher werden würden. Seither bin ich schwerpunktmäßig als Film- und Fernsehkomponist tätig.
Unter anderem für die ARD-Telenovela „Sturm der Liebe“, für die ich vier Jahre lang als PR-Managerin tätig war.
Wir sind mittlerweile bei Folge 3306 angelangt und es ist glücklicherweise kein Ende in Aussicht! Für das achtköpfige Team, meinen Kollegen Chris Weis und mich ist es am wichtigsten, die jeweiligen Szenen nicht nur mit stimmungsvoller Musik zu untermalen, sondern sich wie an einem roten Faden an den Emotionen der Figuren entlang zu bewegen. Dadurch ist die Emotion weniger in der Gefahr, zu verflachen.
Mein absolutes stürmisches Highlight ist immer noch die Musicalfolge zum 10-jährigen Bestehen der Serie im Jahr 2015!
Auf die Folge 2305 bin ich auch wirklich ganz besonders stolz. Der ganze Cast hat damals selbst gesungen und getanzt. Leider haben diese ungewöhnlichen 52 Sendeminuten damals im täglichen Sendeablauf nicht die Beachtung erhalten, die sie verdient hätten. Ich würde mir wünschen, dass diese Musicalfolge zum Beispiel zu Silvester noch einmal so wie ‚Dinner for One‘ oder ähnliche Dauerbrenner von den Regionalprogrammen der ARD ausgestrahlt wird.
Von Free-Jazz über „Sturm der Liebe“ zum Klavier Salon in deinem Tonstudio in Schwabing: Wie hast du das Konzept für dein ungewöhnliches Konzertformat entwickelt?
Zunächst einmal gefiel mir die Idee, einmal im Monat hier in diesem Räumen eine Veranstaltung zu organisieren und dort mit einigen Erwartungen zu brechen. In einem Tonstudio rechnet man als Zuhörer eher mit einem World Music-, als mit einem Solo-Abend eines klassischen Pianisten.
Worin liegt akustisch gesehen die Besonderheit dieses einzigartigen Konzertraums?
Im Gegensatz zu vielen anderen Konzerträumen legt sich in einem Tonstudio nicht der Hall in Form eines akustischen Schleiers über das Spiel des Pianisten. Hier in diesen Räumen haben wir es mit einem sehr kontrollierten akustischen Umfeld zu tun. Du hast als Pianist in einem Tonstudio wie unserem die Gelegenheit, das Publikum mit einem sehr differenzierten, nuancierten Spiel zu erfreuen, das an einem anderen Ort nicht in demselben Maße möglich wäre.
Wie hast Du deinen Flügel für die ‚Klavier Salon München‘-Konzertreihe gefunden?
Normalerweise ist ein Konzertflügel von Yamaha mit seinen 2,75m Länge sehr teuer. Meinen Flügel kaufte ein Brause-Hersteller einst für ein einziges Event. Zwei Jahre später stand er quasi unbenutzt und in bestem Zustand zum Verkauf.
Ihr seid gleich bei dem ersten Konzert deiner Klavier.Salon-Reihe mit einem Hindemith-Abend des Pianisten Andreas Skouras eingestiegen.
Es war mir sehr wichtig, dass ich die Konzertreihe mit einem sehr anspruchsvollen Programm beginne und dadurch demonstriere, dass ich bereit bin, Risiken einzugehen.
Entwickelst du jedes Konzert in enger Zusammenarbeit mit deinem jeweiligen musikalischen Gast?
Wir legen im Vorfeld das grobe Konzept fest. Von einem Hindemith-Abend und einem Konzert mit Werken deutscher und russischer Komponisten aus drei Epochen hin zu einem Solo-Konzert des renommierten Liedbegleiters Gerold Huber: Die musikalische Bandbreite war bei unseren ersten drei Veranstaltungen bereits sehr groß.
War die Begeisterung für die klassische Musik bei dir schon immer vorhanden?
Ich wurde durch sie musikalisch sozialisiert. Meine Mutter hatte ein paar Schallplatten, auf denen es Operette, Mozart oder Beethoven zu hören gab. Wenn man mit sechs oder sieben Jahren das erste Mal an den Plattenschrank seiner Eltern darf, sucht man sich diejenige Platte aus, die das schönste Cover hat: Die Moldau, Peer Gynt oder ähnliches. Mit zunehmendem Alter verschob sich mein musikalisches Interesse zwar Richtung Jazz und Rock’n’Roll – aber die frühkindliche musikalische Prägung bleibt und das Interesse für die Klassik kam irgendwann wieder zurück.
Hast du als Kind Klavier gelernt?
Ja, aber leider habe ich es nie bis zu dem Punkt geschafft, wo ich mich ganz locker an dieses Instrument setzen und einfach darauf losspielen hätte können. Das Klavier blieb vielmehr ein Angstgegner für mich.
Dieses Gefühl kenne ich zu gut. Ich habe nach vielen Jahren Klavierunterricht kurz vor dem Abitur aufgehört zu spielen und hätte im Rückblick betrachtet als Jugendliche eher einen Jazz-Pianisten als Lehrer gebraucht.
Ich stelle hier und heute die Behauptung auf, dass du dich dem Klavier irgendwann wieder intensiver widmen wirst [lacht].
Vor ein paar Jahren habe ich mir tatsächlich wieder ein E-Piano gekauft, um unsere Chorstücke besser üben zu können. Ich glaube aber, dass es noch ein wenig braucht, bis ich mich wieder voll und ganz auf dieses Instrument einlasse.
Ich bin immer voller Bewunderung für diejenigen Menschen, die beruflich gar nichts mit Musik zu tun haben, aber trotzdem fabelhafte Pianisten sind. Helmut Schmidt vermochte beispielsweise besser Klavier spielen, als ich es je können werde.
Dafür wurdest du ein sehr guter Schlagzeuger!
Mit diesem Instrument ist mir vielleicht das geglückt, was mir beim Klavier vermutlich auf immer verwehrt bleiben wird.
Was macht für dich die Faszination des Klaviers aus?
Die unfassbare musikalische Bandbreite. Mal klingt es wie ein ganzes Orchester, mal wie eine einzelne, zarte Stimme an einem norwegischen Fjord. Zeitreisen, Weltreisen, alle Stile der Musik können auf dem Klavier stattfinden.
Hat sich nach den ersten drei Konzerten im Rahmen des Klavier.Salons bereits ein Kreis an Leuten gefunden, der immer wieder zu euren Veranstaltungen kommt?
Ja und worüber ich mich besonders freue: Es gibt einige Leute hier im Haus, die regelmäßig den Weg zu uns finden.
Einen Konzertraum im eigenen Haus zu haben, ist auch wirklich ein großer Luxus. Wie macht ihr darüber hinaus auf euch aufmerksam?
Vor allem über Flyer, einen Newsletter-Versand und private Kontakte. Wichtig ist mir aber nicht nur, dass der Konzertsaal und das angrenzende Studio gut gefüllt sind, sondern auch, dass die Live-Übertragungen der Veranstaltungen auf unserer Facebook-Seite reibungslos klappen. Denn im Online-Bereich haben wir die Möglichkeit, zu wachsen.
In welche Richtung sollte sich der Klavier.Salon in den kommenden Jahren idealerweise weiter entwickeln?
Weil die Zuschauerzahl im Studio selbst so stark begrenzt ist, wollen wir natürlich online weiter wachsen. Momentan schauen während des Streams bereits fast 2.000 Interessierte zu. Auch wollen wir verschiedene Formate ausprobieren. Es bewerben sich zum Beispiel sehr viele Pianistinnen und Pianisten bei uns: Da liegt es irgendwann auch nahe, einen Wettbewerb zu veranstalten.
Lieber Axel, ich danke dir ganz herzlich für diese spannende Gespräch und gratuliere dir zu deiner gelungenen Konzertreihe in München! Da es die Organisation dieses Veranstaltungsformats in sich hat, würde sich Axel sehr freuen, wenn jemand Spaß daran hat, sich dem Klavier Salon-Team anzuschließen: Sei es in Bezug auf die Presse- und Onlinearbeit, im Bereich Sponsoring oder beim Erstellen von Texten. Schreibt am besten eine Mail an kontakt@klavier.salon, wo euch Axel gerne weitere Informationen zukommen lässt.
Weitere Infos zum Klavier Salon München:
Facebook @Klavier.Salon.Munich
Instagram @klavier_salon_munich
Zufahrt/Anfahrt Studio
Leopoldstr 206 Höhe Mittlerer Ring. Zufahrt über Wilhelm Hertz Str (neben Aral Tankstelle), nach 200m rechts an der Schranke bei „Tonstudio“ klingeln. Dann hoch und ganz bis hinten links durchfahren, Treppenabgang in den Innenhof und wieder bei Tonstudio klingeln. Parkplätze sind vorhanden!
MVV/öffentlich
Ab U-Bahn „Münchner Freiheit“ mit der Tram 23 stadtauswärts die Leopoldstraße hoch. Die macht dann einen Knick und kommt hinter unserem Gebäude zum stehen, Haltestelle „Münchener Tor“. Circa 100 m wieder zurückgehen, die Schienen überqueren und die Rampe hoch auf den Parkplatz. Links hinten in der Ecke ist ein überdachter Treppenabgang in den Innenhof.
Den Anfahrtsplan gibt es hier zum Download.