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#Interview mit dem Schauspieler Bekim Latifi

© Armin Smailovic
Seit dieser Spielzeit ist der Schauspieler Bekim Latifi Teil des Ensembles der Münchner Kammerspiele. Ein Interview über seine Verbindung zu diesem Haus, digitale Theaterformate und das Wesen der Darstellenden Kunst.

Vor zweieinhalb Jahren wurde ich durch eine Instagram-Story des Hamburger Thalia Theaters auf Bekim Latifi aufmerksam. Darin kündigte das Haus an, dass der Schauspieler mit albanischen Wurzeln Ende Oktober 2019 mit seinem Monologstück „Amerika“ in die albanische Hauptstadt Tirana reisen würde, um dort ein Zeichen der Solidarität mit den Mitarbeitern des mittlerweile abgerissenen Nationaltheaters zu setzen. Ich hatte damals gerade eine Reise nach Albanien unternommen und verfolgte die Entwicklungen in dem kleinen südosteuropäischen Land daher mit großer Spannung.

Über zwei Jahre später sah ich Ende 2020 auf dem Facebook-Kanal der Münchner Kammerspiele, dass Bekim Lafiti Teil des neuen Ensembles des Hauses ist. Als wir uns im April 2021 in München zu unserem Interview trafen, war ich sehr beeindruckt von Bekims klugem, sehr reflektiertem Blick auf die Welt im allgemeinen und auf seinen Beruf im Speziellen. Man spürt schnell, dass es dem 26-jährigen in seinem Beruf um mehr geht, als um die Darstellung einer Rolle. Er ist ein Suchender, ein Forschender, der die Realität aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet, um sich anschließend in einem künstlerischen Arbeitsprozess kreativ mit ihr auseinandersetzen.

Seit seiner Kindheit gilt Bekims große Leidenschaft dem Film: Sein Wissen in diesem Bereich ist enorm. Er erzählt mir, dass er gerade die Zeitschrift „Revolver“ abonniert hat: Sie ermöglicht anhand von ausführlichen Interviews und Texten einen tieferen Einblick in das Denken und in die konkrete Arbeitsweise von Filmemachern aus aller Welt.

2014 begann er hier sein Schauspielstudium an der Otto-Falckenberg-Schule in München. Der Umzug aus einer Kleinstadt nahe Dresden, wo er seine Kindheit und Jugend verbrachte, war damals ein Kulturschock für ihn. Zu viel schöner Schein, zu wenig Reibungsfläche in dieser Stadt der glitzernden Fassaden. Im Sommer 2016 reiste Bekim Latifi dann mit seinem Jahrgang und der Inszenierung „Pony Camp: Troilus & Cressida“ zum Festival Körber Studio Junge Regie im Hamburger Thalia in der Gaußstraße. Ein gutes halbes Jahr später bekam er eine Einladung zum Vorsprechen in Hamburg und trat bereits nach seinem dritten Studienjahr sein erstes Festengagement am Thalia Theater, einem der renommiertesten Theater im deutschsprachigen Raum, an. Dort war er zwischen 2017 und 2020 unter anderem in Inszenierungen wie „Orpheus“ (Regie: Antú Romero Nunes), „Amerika“ nach Franz Kafka (Regie: Bastian Kraft), „Tartuffe“ (Regie: Stefan Pucher) oder „Dritte Republik“ (Regie: Elsa-Sophie Jach/Thomas Köck) auf der Bühne zu erleben.

An den Münchner Kammerspielen sah man Bekim Lafiti in dieser Spielzeit unter anderem in dem außergewöhnlichen Theaterfilm „Flüstern in stehenden Zügen“ in der Regie von Visar Morina. Heute findet unter der Regie von Pınar Karabulut die Generalprobe von „Der Sprung vom Elfenbeinturm“ an den Kammerspielen statt – eine Uraufführung nach Texten von Gisela Elsner, in der ich Bekim hoffentlich bald live auf der Bühne erleben darf.

Ein Neustart in einer Stadt in einer Zeit des kulturellen Lockdowns ist wirklich eine sehr absurde Situation für einen Schauspieler. Immerhin kanntest du die München aber bereits aus der Zeit deines Schauspielstudiums. 

Ich habe seitdem eine besondere Verbindung zu den Münchner Kammerspielen – besonders zu dem Innenhof des Theaters, wo ich viele Stunden während meines Studiums verbracht habe.

Im zweiten Studienjahr standest du auf der anderen Seite der Maximilianstraße im Residenztheater in Ulrich Rasches Inszenierung „Die Räuber“ auf der Bühne. 

Es war toll, dass ich dadurch einen Einblick in eine Produktion dieser Größe bekam. Eigentlich war es aber schon damals mein Wunsch gewesen, auf der großen Bühne der Münchner Kammerspiele für das Publikum zu spielen. Das ist mir jetzt, wo ich dort im Ensemble bin, seit dem Beginn dieser Spielzeit aufgrund des Lockdowns nur einige wenige Male gelungen.

In den vergangenen Monaten ergab sich dafür aber die Gelegenheit zu einem spannenden Projekt, das unter normalen Umständen vermutlich anders inszeniert worden wäre: In dem Theaterfilm „Flüstern in stehenden Zügen“ nach dem Stück von Clemens J. Setz tauchst du in deiner Rolle als C ein in eine surreale Welt, die viel von Vereinzelung des Menschen erzählt.

Ich finde es immer noch unglaublich, was aus der Anfangsidee für dieses Projekt im Endeffekt wurde. Ursprünglich wollte ich eigentlich bereits mit einem fertigen Soloabend an die Kammerspiele kommen und mit diesem durch die Welt reisen. Denn 2019 durfte ich auf Einladung des Goethe Instituts mit dem Stück „Amerika“, in dem ich am Hamburger Thalia Theater auf der Bühne zu sehen war, auf Gastspielreise durch einige Städte in den USA gehen. Als klar wurde, dass es aufgrund der Corona-Pandemie auch in dieser Spielzeit keine internationalen Gastspiele geben würde, bekam ich das Angebot, die Hauptrolle in „Flüstern in stehenden Zügen“ zu spielen. Ich wollte für die Inszenierung dieser Uraufführung unbedingt mit dem Filmregisseur Visar Morina zusammenarbeiten – denn ich schätze ihn und insbesondere seinen Film EXIL sehr. Ursprünglich hatten Visar und ich vor, vier Wochen gemeinsam in Hamburg zu proben – mehr als einen Stuhl hätte es in dieser analogen Version des Stücks nicht an Requisiten auf der Bühne gegeben. Dadurch, dass „Flüstern in stehenden Zügen“ in den regulären Spielplan der Kammerspiele aufgenommen wurde, entwickelte sich aus einem Monologabend plötzlich ein Theaterfilm, bei dem Patrick Orth, der Kameramann von „Toni Erdmann“, als Live-Kameramann auf der Bühne vor Ort war.

Die Premiere von „Flüstern in stehenden Zügen“ sahen 1.000 Leute online. Ein enormer Unterschied im Vergleich zu den 100-120 Zuschauer*innen, die man unter normalen Umständen im Werkraum der Münchner Kammerspiele unterbringt.

Das war wirklich großartig und hat mich sehr gefreut. Ich merke aber mittlerweile, dass die Begeisterung für Theaterstreams immer mehr abnimmt.

Bekim Latifi als C in „Flüstern in stehenden Zügen“ © Katarina Sopcic

Nach sechs Monaten ohne analoge Kulturerlebnisse sind wir vermutlich etwas übersättigt, was den Konsum digitaler Theaterformate angeht. Ich höre aber auch von vielen Zuschauer*innen, dass sie die Verlängerung des Theaters in den digitalen Raum sehr schätzen. Inwiefern hat die Arbeit an „Flüstern in stehenden Zügen“ für dich neue Maßstäbe gesetzt, was die Verbindung aus Theater- und Filmelementen in einer Inszenierung angeht?

Für mich als Spieler war es sehr spannend, herauszufinden, welche Spielarten besser vor der Kamera und auf der Bühne funktionieren. Als Spielerlebnis finde ich einen Theaterfilm, wie wir ihn mit „Flüstern in stehenden Zügen“ geschaffen haben, sehr gewöhnungsbedürftig. Ich habe zwar immer wieder meine Kollegin Leoni Schulz als Ansprechpartnerin an meiner Seite, agiere aber auch sehr viel allein in einem Bühnenraum, wo ich auf keinerlei Reaktionen des Publikums hoffen kann. Natürlich weiß ich, dass ich mich bei der Vorstellung im Theater befinde und dass die Zuschauer*innen über viele Bildschirme dazu geschaltet ist. Zugleich aber habe ich das Gefühl, dass ich für niemanden spiele.

Ist „Flüstern in stehenden Zügen“ deiner Meinung nach eher ein Theaterabend oder ein Film?

Weder noch. Interessanterweise wurde das Stück vor der Pandemie geschrieben. Das Thema, das darin verhandelt wird, spiegelt aber haargenau das wieder, was gerade um uns herum geschieht. „Flüstern in stehenden Zügen“ ist eine reine Zustandsbeschreibung eines von der Außenwelt isolierten Mannes; es gibt keine Entwicklung in diesem Drama. Im Gegensatz zu einer Live-Lesung eines Schauspielers oder einer Schauspielerin auf Zoom wissen die Zuschauer bei einem Theaterfilm nicht, was auf sie zukommt. Aber sie erwarten sich von dem Medium Film auf jeden Fall überwältigende Bilder.

Unabhängig von der technischen Umsetzung finde ich es spannend, dass sich die als regionale Kulturinstitutionen begreifenden Theaterhäuser nun auf einmal durch einen Live-Theaterfilm wie „Flüstern in stehenden Zügen“ für ein nationales und auch internationales Publikum öffnen.

Das finde ich auch toll! Es muss in vielerlei Hinsicht ein Umdenken stattfinden: Schließlich schaut man auch Filme, wenn man nicht ins Kino gehen kann.

Ich stand dem Thema Theater und Digitalität vor der Corona-Pandemie eher skeptisch gegenüber, weil ich bei vielen Häusern eine gewisse Experimentierfreude in Bezug auf die Entwicklung digitaler Theaterformate vermisst habe. Nun aber gibt es sehr viele gelungene Beispiele wie „werther.live“, die den theatralen Raum erfolgreich auf andere Bühnen verlegen. 

Man sollte meiner Meinung nach unabhängig von Corona über verschiedene theatrale Darstellungsformen und -mittel nachdenken. Die Förderung digitaler Formate bedeutet ja nicht den Tod des analogen Theaters.

Du bist ein Schauspieler, der die Welt um sich herum sehr genau und akribisch beobachtet. War das auch bereits der Fall, als du als Jugendlicher mit 16 Jahren zum ersten Mal in einer Inszenierung des „Theater Junge Generation“ in Dresden auf der Bühne standest?

Ja, und das wurde mit den Jahren auch nicht weniger. Ich habe auch im Privatleben immer das Gefühl, als würde ich neben mir stehen und die jeweilige Situation aus der Distanz heraus betrachten.

Das ist verständlich: Schließlich musst du als Schauspieler eine gewisse Nähe zu deinen Figuren herstellen oder dich in eurer Rolle mit bestimmten Gegebenheiten auseinandersetzen.   

Das auf jeden Fall. Gleichzeitig muss man es aber als Spieler schaffen, nicht alles zu hinterfragen und zu beurteilen.

In gewisser Art und Weise spielen wird doch alle eine öffentlichkeitswirksame Version unseres Ichs, sobald wir uns außerhalb unserer eigenen vier Wände bewegen.

Ja, aber im Gegensatz zu anderen Berufen befinden wir Schauspieler*innen uns in einem geschützten Raum, in dem zunächst einmal sehr vieles möglich ist. Das Spiel mit den verschiedenen Identitäten wird meiner Meinung nach dann bedenklich, wenn eine Rolle zu sehr mit der eigenen Person verschmilzt.

Das passiert einem glaube ich vor allem in bestimmten TV-Formaten, in denen man eine Rolle über einen längeren Zeitraum spielt. Weil ein Großteil der Zuschauer*innen einen mit eben dieser Rolle identifiziert,  fühlen sie sich wohl auch so verbunden mit „ihren“ Schauspielern.

Das macht wohl die Magie unseres Berufs aus. Im Theater begegnet mir der Zuschauertyp Fan wesentlich weniger, als beim Film. Das kann ich sogar nachvollziehen, weil ich als Zuschauer eher in ein Filmgeschehen eintauche, als in eine Bühnensituation. Theater ist für mich immer technisch und damit gut gespielt. So sehr ich es genieße, eine bestimmte Theaterform und einen Text dargeboten zu bekommen. Eine Identifikation mit den Figuren auf der Bühne hat bei mir noch nie stattgefunden.

Auch nicht, wenn dich eine Inszenierung sehr berührt?

Vielleicht beim Lesen des Stücks oder des Romans, der für die Bühne adaptiert wurde – aber tatsächlich nicht beim Zuschauen. Leider bekomme ich nämlich live vor Ort den Herstellungsprozess einer Inszenierung mit, wenn ich im Zuschauersaal sitze. Ich empfinde zwar so etwas wie Empathie für die Figuren – mehr aber auch nicht.

Bei mir ist es eher so, dass sich durch eine Filmleinwand eine größere Distanz zu dem aufbaut, was sich da vor meinen Augen abspielt. Im Theater hingegen hatte ich schon oft das Gefühl, vollkommen in einem Bühnengeschehen zu versinken. Wenn ich da zum Beispiel an Thomas Ostermeiers Inszenierung von Sarah Kanes Stück „Zerbomt“ 2005 an der Berliner Schaubühne denke…

An „Zerbombt“ habe ich eine ganz spezielle Erinnerung an einen Bühnenunfall während des Studiums: Ich wurde in meiner Rolle als Ian von einem Kommilitonen auf der Bühne gefesselt – blöderweise waren meine Hände so fest miteinander verbunden, dass ich nach vorne fiel und mich natürlich nicht abstützen konnte. Ich riss nur noch meinen Kopf zur Seite und schon floss das Blut in Strömen.

Da ist wohl jemand sehr in seiner Rolle aufgegangen…

Ich glaube, er wollte etwas besonders Krasses, Außergewöhnliches anbieten. Spannung lässt sich aber nicht durch extreme Handlungen erzeugen. Gerade ein sehr körperlich denkender und handelnder Schauspieler, zu denen ich mich auch zähle, muss seine Grenzen auf der Bühne kennen.

Das sehe ich genauso. Es bringt wenig, viel zu trinken, um sich in die Rolle eines Betrunkenen hineinzuversetzen.

Wenn du das tust, dann hast den Beruf des Schauspielers nicht verstanden. Darstellende Kunst bedeutet für mich nicht, eine reale Situation 1:1 auf der Bühne abzubilden, sondern sie durch das eigene Handwerk zu überhöhen.

Auf welche Rolle musstest du dich in den vergangenen Jahren besonders intensiv vorbereiten?

Auf Karl Roßmann in Bastian Krafts Inszenierung „Amerika“ nach Franz Kafka am Thalia Theater zum Beispiel – eine Rolle, die ich von Philipp Hochmair übernommen habe, nachdem er sie bereits zehn Jahre an diesem Haus gespielt hatte. Das war schauspielerisch gesehen insofern spannend, als ich den Entstehungsprozess dieser Inszenierung erst einmal von außen studiert habe. Und das nicht einmal als Zuschauer im Theaterraum, sondern mittels einer Videoaufzeichnung.

Die Vorgabe seitens des Regisseurs war aber vermutlich nicht, Philipp Hochmair zu kopieren?

Nein, aber der Text und die einzelnen Stationen der Inszenierung waren natürlich vorgegeben. Ein fertiges Produkt vor sich zu haben und es künstlerisch für sich neu zu interpretieren, ist ein ganz anderer Prozess, als sich ein Stück über einen Zeitraum von 6-8 Probenwochen zu erarbeiten.

Wie lang war deine Probenzeit für „Amerika“ am Ende?

Fünf Tage. Einen Monat habe ich mich auf die Rolle vorbereitet. Eine tolle Zeit.

Wie stelle ich mir diese Vorbereitungszeit ohne den Glaskasten auf der Bühne vor, der in vielerlei Hinsicht das eigene Handeln auf der Bühne bestimmt?

Der erste Probentag war tatsächlich schlimm. Man muss sich erst einmal daran gewöhnen, sich beim Spielen selbst permanent im Spiegel zu betrachten und die Zuschauer*innen dabei nicht sehen zu können.

Du warst vor deinem Engagement an den Münchner Kammerspielen drei Jahre am Hamburger Thalia Theater engagiert. Gab es in den vergangenen vier Jahren schon einmal einen Punkt, an dem du diese festen Strukturen gerne gegen ein Leben als freier Schauspieler eingetauscht hättest? 

Ich würde mir eigentlich wünschen, dass sich ein festes Engagement und die Möglichkeit, Filme zu drehen, nicht ausschließen würden. Der Gemeinschaftsgedanke am Theater ist unglaublich schön: Aber die Zeit, die man an den Häusern verbringt, nimmt auf Dauer zu viel Raum im eigenen Leben ein.

Kann es diese Balance zwischen dem Arbeits- und dem Privatleben als Schauspieler*in überhaupt geben?

Ich glaube schon, wenn man sich weniger Projekte pro Spielzeit an den Theatern vornehmen und mehr Stellen schaffen würde. Schauspieler*innen sind bei weitem nicht die Einzigen, die an den Häusern überarbeitet sind.

In „AmA ohne Maske“, einem Podcast der Münchner Kammerspiele, erzählst du von denen Erfahrungen als Leistungssportler: Neun Jahre lang hast du als Kind und Jugendlicher erfolgreich Judo und Ju-Jitsu-Wettkämpfe absolviert. Inwiefern bereitet einen der Spitzensport sehr gut auf ein Leben als Schauspieler vor?

Man lernt, sehr diszipliniert und leidensfähig zu sein. Und man lernt seine eignen Grenzen dadurch sehr gut kennen. Die physische Belastung ist beim Sport natürlich höher: Aber auch der Beruf des Schauspielers verlangt einem einiges ab, wenn man auf der Bühne oder vor der Kamera nicht wie eine leblose Hülle wirken will. Wichtig war für mich im Sport derjenige Punkt, an dem ich begriffen habe, dass ich aus dem Leistungssport aussteigen will. Ich kann es nicht leiden, wenn mir jemand etwas befiehlt.

Bereits im Kostüm, wenn man die einfache Frage gestellt bekommt: Würdest du das privat tragen? Also nicht: Passt es zu deiner Rolle, sondern fühlst du dich darin wohl und passt das Kostüm zu den Werten, die du vertrittst? Oder zeigt es womöglich zu viel Haut, ist zu eng und so weiter. Selbst dieser Prozess der Auseinandersetzung mit sich selbst wird einem in vielen Produktionen aberkannt. Es wird einfach beschlossen, dass du das Kostüm anzuziehen hast.

Und nachher trifft man als Schauspieler*in auf ein Team, das alles bis ins kleinste Detail für euch Spieler*innen vorbereitet hat.   

Man gilt gerne als schwierig, wenn man sich kritisch mit all dem auseinandersetzt, was vorab besprochen und entschieden wurde. Meiner Meinung nach schafft man von vorne herein eine toxische Arbeitsatmosphäre, wenn man Schauspieler*innen lediglich als ausführende Akteure ansieht. Wir sind darstellende Künstler*innen und als solche sollten wir uns auch mit den Stoffen auseinandersetzen dürfen, die wir auf die Bühne bringen. Dabei ist es wichtig, dass Diskussionen sachlich und nicht emotional geführt werden.

Wie kann Theater auch außerhalb der freien Szene als kollektiver Prozess funktionieren? 

Es müsste vor dem Beginn einer Probenphase mehr Austausch über das geben, was man gemeinsam erarbeiten möchte. Nur so kann ich als Spieler ein Vertrauen in den jeweiligen Spielleiter entwickeln, das ich brauche, um mich in einem Probenprozess öffnen zu können.

Hast du diese Zusammenarbeit auf Augenhöhe zwischen einem Regisseur oder eine Regisseurin und euch Schauspieler*innen schon einmal erlebt?  

Definitiv, zum Beispiel bei Antú Romero Nunes. Seine erste Ansage vor dem Probenbeginn zu „Orpheus“ war: „Wir machen ein Theater-Sommercamp“. Keiner von uns hatte eine feste Rolle, keiner von uns hatte Texte, wir haben also von null angefangen und die Inszenierung über mehrere Wochen hinweg während der Proben gemeinsam entwickelt.

Wäre es ein Traum von dir, irgendwann selbst am Regiepult zu sitzen?

Darüber habe ich mir noch gar keine Gedanken gemacht (lacht). Gerade bin ich total im Schauspielmodus und liebe das, was ich tue.

Lieber Bekim, ich danke dir ganz herzlich für das tolle Gespräch und freue mich sehr darauf, dich hoffentlich bald zum ersten Mal live auf der Bühne erleben zu dürfen!


Mehr Informationen über Bekim Latifi: 

Ensemble

https://filmmakers.de/bekim-latifi

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