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#Interview mit Wolfgang Horn

Ein Interview mit dem 3sat-Redakteur Wolfang Horn, der die TV-Aufzeichnung der Inszenierung „Die Räuber“ (Münchner Residenztheater) verantwortet hat! Ich bin gespannt auf das Ergebnis, das ich am Sonntag beim Berliner Theatertreffen sehen werde…

„Die Münchner Inszenierung von Schillers Drama „Die Räuber“ kann nicht wie geplant live beim Theatertreffen in Berlin gezeigt werden.“ Als ich diese Information im März auf rbb-online.de las, hatte ich im Geiste mein Ticket nach Berlin bereits gebucht und war gespannt auf die Redaktionen des Theatertreffen-Publikums auf diesen überwältigenden Theaterabend. Enttäuscht verwarf ich meine Reisepläne – bis ich mitbekam, dass eine TV-Aufzeichnung des Abends geplant war.

Den 3sat-Redakteur Wolfang Horn kenne ich seit 2009, als ich sechs Wochen lang eine Hospitanz beim ZDFtheaterkanal in Mainz absolvierte. Wolfgang war damals Trainee in der Redaktion und hatte bereits erste Projekte eigenverantwortlich und erfolgreich umgesetzt. Bis heute zählt die Zeit in Mainz zu den prägendsten und intensivsten Erfahrungen, die ich in meinem Leben machen durfte – daher verfolge ich die Arbeit der ehemaligen Mitarbeiter des 2011 eingestellten Spartensenders mit sehr großem Interesse. Wolfang bin ich in den vergangenen Jahren immer wieder begegnet – zum Beispiel 2012 im Münchner Volkstheater, wo er im Rahmen der Reihe „Theater – Ein Fest!“ einen längeren Beitrag über das „radikal jung“-Festival drehte. Ob Basel, London oder Göteborg: Für 3sat war Wolfang in den letzten Jahren unter anderem zusammen mit der Moderatorin Nina Fiva Sonnenberg auf den spannendsten europäischen Theaterfestivals unterwegs! Schon seit längerem folge ich ihm auf Instagram unter @wolfinou, wo er seinen Followern unter anderem auch einen Einblick in seine vielfältige Arbeit gewährt.

Ende April ging es für Wolfgang wieder einmal nach München. Am Residenztheater galt es, ein extravagantes Bühnenbild in Form riesiger Laufbänder und eine sich drei Stunden konstant darauf bewegende Schauspieler-Räuberbande für die TV-Zeichnung ins rechte Licht zu rücken. Vor der Preview des Ergebnisses am Sonntagabend im Rahmen des Theatertreffens hatte ich die Gelegenheit, mit ihm über Theateraufzeichnungen im Allgemeinen und „Die Räuber“ im Speziellen zu sprechen!

Interview mit dem Residenztheater-Ensemblemitglied Franz Pätzold zur Inszenierung von Die Räuber:

http://www.3sat.de/mediathek/?mode=play&obj=66289

Und hier ein Einblick in das Ergebnis der TV-Aufzeichnung:

http://www.3sat.de/mediathek/?mode=play&obj=66334

 

Im April hast du als Redakteur die Aufzeichnung der Inszenierung „Die Räuber“ am Münchner Residenztheater, die aufgrund des technisch sehr anspruchsvollen und schwer transportablen Bühnenbilds nicht beim Berliner Theatertreffen gezeigt werden kann, verantwortet. Hast du den Regisseur Ulrich Rasche in die Planungen rund um die Aufzeichnung seiner Inszenierung einbezogen?

Wir freuen uns immer, wenn sich die Theaterregisseure und -regiseurinnen in die Aufzeichnung einbringen. Doch ist das von Fall zu Fall sehr unterschiedlich. Manche lassen uns völlig freie Hand, andere wollen den Prozess gerne begleiten. Meist gibt es aber ein Telefonat oder zumindest einen Mailwechsel zwischen Fernseh- und TheaterregisseurIn. Ulrich Rasche und unser Fernsehregisseur für „Die Räuber“, Peter Schönhofer, haben eng zusammengearbeitet. Ulrich Rasche war im Ü-Wagen bei den Aufzeichnungen dabei und wir waren auch gemeinsam im Schneideraum, um uns den ersten Rohschnitt anzuschauen. Er hat sehr großen Einfluss darauf gehabt, den Kern seiner Inszenierung ins Fernsehen zu übertragen.

Mit wie vielen Kameras habt ihr den Theaterabend aufzeichnet?

Die Anzahl war gar nicht so hoch, wie man vielleicht meinen könnte. Wir haben mit insgesamt sieben Kameras gedreht. Zwei davon waren Towercams, die links und rechts hinter dem Portal angebracht waren. Sie waren vertikal beweglich und konnten auf eine Höhe von bis zu zehn Metern fahren. Es wurden zwei Vorstellungen aufgezeichnet mit jeweils leicht veränderten Positionen der übrigen fünf Kameras. Außerdem wurden einige Szenen auch ohne Publikum nochmals gedreht, wobei dann alle Kameras vorne auf dem hochgefahrenen Orchestergraben standen.

Welche Herausforderungen gab es im Vorfeld und während der Aufzeichnung  der „Räuber“ zu bewältigen?

Die schiere Größe und Länge der Inszenierung stellt einen natürlich produktionell vor Herausforderungen. Alleine schon was die Arbeitszeiten für alle Beteiligten angeht. Inhaltlich war die größte Gefahr, dass im Fernsehen am Ende alles kleiner, unbedeutender und damit nur noch technisch aussieht.Die Monumentalität und die Wucht, die die Inszenierung hat, musste ja wenigstens zum Teil ins Fernsehen übertragen werden. Wir haben den ersten Abend in einem Kamerasetting aufgezeichnet, bei dem das noch nicht ausreichend gelungen ist. Für den zweiten Abend haben wir die Positionen leicht verändert und in Abstimmung mit Ulrich Rasche auch das Licht etwas an unsere Bedürfnisse angepasst. Die Aufnahmen am zweiten Abend entsprachen dann schon wesentlich mehr dem, was wir uns erhofft hatten. Letztendlich finden sich in der Fernsehfassung aber Teile aller drei Aufzeichnungsdurchgänge.

Was zeichnet eine klug durchdachte Theateraufzeichnung deiner Meinung nach aus?

Eine Aufzeichnung muss immer einen Mehrwert haben. Sie sollte mit den Mitteln des Mediums Fernsehen eine Erfahrung ermöglichen, die man als Zuschauer im Saal nicht hat. Eine gute Theateraufzeichnung ist immer eine intelligente, medienspezifische Übersetzungsleistung, die zudem etwas Eigenes erschafft und nicht nur bloße Dokumentation ist.

Wie oft siehst du dir eine Vorstellung live an, bevor du an die Planungen der Aufzeichnung gehst?

Ich sehe die Inszenierung einmal, um überhaupt entscheiden zu können, ob sie für eine Aufzeichnung in Frage kommt. Wenn dann die Entscheidung dafür gefallen ist, überlege ich, welche/r FernsehregisseurIn  die Arbeit übernehmen soll und die Produktionsleiterin stellt den Produktionsstaab zusammen. Bei der sogenannten Vorbesichtigung schauen sich dann der oder die  FernsehregisseurIn, die Produktionsleiterin, der Technische Leiter, der Erste Kameramann und der Toningenieur mit mir gemeinsam die Inszenierung nochmal an. Danach findet dann ein Gespräch mit den Vertretern aller für uns relevanten Gewerke des Theaters statt, um Zeitpläne, Standorte für die Produktionsmittel, Kamerapositionen usw. zu besprechen. Vieles ist meist aber auch schon per Mail und telefonisch vorbesprochen worden. Der nächste Termin ist dann bereits die Aufzeichnung selbst.

Wie wichtig ist es dir, dass den Zuschauern bei der TV-Aufzeichnung einer Inszenierung ein authentisches Bild des Bühnengeschehens vermittelt wird?

Ich frage mich, was ein authentisches Bild des Bühnengeschehens sein könnte und ob es das überhaupt gibt. Ein Filmbild oder eine Fotografie ist nie authentisch, immer hat jemand einen Ausschnitt gewählt, immer gibt es ein Außerhalb des Bildes, das man nicht sieht, das einem vorenthalten wird. Durch den Schnitt wird der Blick geführt, man kann ihn nicht selbst lenken, wie der Zuschauer im Saal. Und selbst wenn man drei Stunden lang nur eine Bühnentotale der Räuber sehen würde, glaube ich nicht, dass man nachher ein authentisches Bild des Bühnengeschehens hätte.

„Wo bleibt denn da das Theaterfeeling?“ Wie begegnest du dieser häufig an Theateraufzeichnungen geäußerten Kritik?

Um das Theaterfeeling zu haben, muss man ins Theater gehen. Das ist ganz klar. Die Erfahrung eines live miterlebten Theaterabends, die gemeinsame ästhetische Erfahrung von Spielern und Zuschauern kann sich beim Betrachten einer Fernsehaufzeichnung unmöglich einstellen. Umso wichtiger ist es, die Mittel des Fernsehens in die Waagschale zu werfen. Eine Theateraufzeichnung muss in erster Linie immer ein besonderes Fernseherlebnis sein.

Du hast 2009 als Redakteur beim ZDFtheaterkanal begonnen, anschließend für ZDFkultur gearbeitet und bist nun als Redakteur für 3sat in ganze Europa unterwegs, um über spannende Theaterleute und ihre Arbeit zu berichten. An welchen Dreh in den letzten Jahren erinnerst du dich besonders gerne zurück?  

Ich bin seit 2008 beim ZDF, seit 2011 als Redakteur. In neuerer Zeit ist mir vor allem die Aufzeichnung von „Väter und Söhne“ am Deutschen Theater im Gedächtnis geblieben. Die Atmosphäre war einfach besonders. Ich erinnere mich an einen Abend im Ü-Wagen, wo die Regisseurin Daniela Löffner, der Dramaturg David Heiligers, der Regieassistent Phillip Arnold, der zugleich unser Fernsehregieassistent war, im Ü-Wagen versammelt waren und uns dann auch noch die damals schon hochschwangere Theatertreffen-Leiterin Yvonne Büdenhölzer besucht hat, um sich die Vorstellung auch nochmal durch die Kameras anzuschauen. Da kamen einfach alle zusammen, es war ein wunderbares Miteinander des Deutsches Theaters, dem Theatertreffen und ZDF/3sat. Am meisten freut mich an der Produktion, dass mich nach der Vorbesichtigung alle für verrückt erklärt haben und der Meinung waren, man könne die Inszenierung eigentlich gar nicht aufzeichnen. Sie ist schließlich eine unserer erfolgreichsten geworden.

Gab es bei dir in der Vergangenheit auch Regisseure, die der Aufzeichnung ihrer Inszenierung fürs Fernsehen sehr skeptisch gegenüberstanden?

Skeptisch vielleicht, aber nicht ablehnend. Simon Stone beispielsweise hält nicht viel von Theateraufzeichnungen, legt uns aber keine Steine in den Weg, sondern lässt uns vielmehr freie Hand. Für die Fernsehfassung von John Gabriel Borkman haben wir die Schlussszene zusammen mit den Schauspielern leicht uminszeniert. Es ging dabei nur um die Positionen, natürlich nicht um den Inhalt. Wir haben Simon Stone per Mail um seine Einwilligung gebeten, keine Antwort erhalten und es dann dennoch gemacht. Er hat sich den veränderten Schluss bis heute nicht angesehen, soweit ich weiß.

Welchen Theatermacher möchtest du unbedingt noch interviewen – und welche Inszenierung sollte deiner Meinung nach bald unbedingt im Fernsehen zu sehen sein?

Ich warte seit Jahren darauf, dass sich endlich mal eine Möglichkeit ergibt, eine Inszenierung von Antú Romero Nunes aufzuzeichnen. Sehr gern würde ich natürlich auch etwas von Ersan Mondtag im Fernsehen sehen. Eines der eindrücklichsten Theatererlebnisse der vergangenen Jahre war für mich „Fegefeuer in Ingolstadt“ von Susanne Kennedy. Ich würde sehr gerne wieder eine ihrer Arbeiten aufzeichnen.

 

Vielen Dank, Wolfgang, für das spannende Interview! 

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