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#HeyYou: Über die männliche Psyche und eine neue Form der Weiblichkeit

Die Journalistin Angelika Hager gewährt ihren Leserinnen und Lesern mit „Kerls!“ nicht nur einen spannenden und zugleich unterhaltsamen Einblick in die männliche Psyche, sondern auch in die weibliche Gefühls- und Gedankenwelt…

Ich lernte Angelika Hager im Sommer 2018 im Thermalbad Bad Vöslau als eine sehr interessante, reflektierte Gesprächspartnerin kennen. In dem kleinen, rund 30km von Wien entfernten Ort veranstaltet die Journalistin seit sieben Jahren das Lesefestival Schwimmender Salon, bei dem sich so renommierte Schauspieler wie Philipp Hochmair, Manuel Rubey oder Stefanie Reinsperger regelmäßig die Ehre auf der Bühne in Bad Vöslau geben. Dass diese der Einladung nach Bad Vöslau nicht allein wegen der feudalen Atmosphäre des Mitte des 19. Jahrhunderts errichteten Erholungsortes, sondern vor allem wegen Angelika Hager selbst folgen, spürt man sofort, wenn man die Künstler abseits der Bühne im Gespräch mit ihr erlebt. Denn jede Lesung zeichnet sich durch ein von Hager entwickeltes und individuell auf den jeweiligen Schauspieler zugeschnittenes Gesamtkonzept aus.

Seit 1997 leitet Angelika Hager das Ressort Gesellschaft des österreichischen Nachrichtenmagazins PROFIL. Ihre Lieblingsthemen: Psychologie, Gender-Debatten und die Skurrilitäten der österreichischen Gesellschaft, von denen es gerade im Moment mehr als genug gibt. Im Magazin Freizeit der österreichischen Tageszeitung KURIER publiziert Hager seit 1996 als fiktive Polly Adler jeden Samstag die wöchentliche humoristische Kolumne Chaos de Luxe. Neun Bücher und drei Audio-CDs veröffentlichte sie mittlerweile unter dem Pseudonym Polly Adler. Anlässlich ihres 20-jährigen Kolumnen-Jubiläums als Polly Adler ist sie zusammen mit den Burg-Schauspielerinnen Maria Happel und Petra Morzé sowie der Kabarettistin Andrea Händler mit dem Programm „Amourhatscher“ als regelmäßiger Gast auf österreichischen Bühnen wie dem Wiener Rabenhoftheater zu erleben.

„Journalistisches Faible: Menschen offen zu legen, ohne sie dabei bloß zu stellen“: Dieses Credo von Angelika Hager, das auf der PROFIL-Website zu finden ist, gilt auch in Bezug auf ihr neuestes Werk Kerls!, das gerade im österreichischen Verlag Kremayr&Scheriau erschienen ist. Als „Safari durch die männliche Psyche“ bezeichnet Hager ihr Buch, mit dem in Zeiten überhitzter #MeToo-Diskussionen keinen Leitfaden für den perfekten Umgang mit dem männlichen Geschlecht, sondern ein „Reiseführer durch die neuesten Erkenntnisse im Männer-Land“ für Jedermann und jede Frau präsentiert. Dafür hat sich die Journalistin und Autorin mit den neuesten Forschungsarbeiten auf diesem Gebiet beschäftigt und unter anderem Psychiater, häusliche Gewalttäter, Narzissmus-Forscher und Arbeitslose für ihr Buch interviewt.

In Kerls! schreibt Angelika Hager trotz des hohen wissenschaftlichen Anspruchs ihres Buches sehr unterhaltsam über die App Tinder als „hormonelles Zeitmanagement in seiner effizientesten Form“, über das sogenannte „Liebes-ADS“ in Zeiten des heute oft mangelnden Willens zur Konzentration auf ein einziges Objekt der Begierde und über die Hexenjagd-artigen Auswüchse der #MeToo-Bewegung, die selbst unbescholtene Hollywood-Stars wie Matt Damon zur Zielscheibe einiger ihrer Vorreiterinnen werden ließen. Hager sprach für Kerls! unter anderem mit dem Wiener Burgtheater-Star Nicholas Ofczarek, der ihr 2015 in einem Interview von seinen depressiven Phasen und der notwendigen Erkenntnis, sich Hilfe von außen zu suchen, erzählte. Und sie führt die Erkenntnisse führender Forscherinnen und Forscher wie der US-amerikanischen Anthropologin Helen Fisher auf, die zu der Erkenntnis kam, dass dauerhafte sexuelle Erfülltheit und Romantik aus evolutionsbiologischer Sicht trügerische Illusionen sind. In Kerls! geht es aber auch um das Chaos der männlichen Identitätssuche, um die männliche Gefühlswelt oder um den Leistungsdruck, die Frustration und die Ratlosigkeit, die die verordnete Tabulosigkeit in Bezug auf die eigene Sexualität in vielen Fällen herbeiführen.

„Der größte Feind des Mannes ist nicht der Feminismus, sondern er selbst“, stellte die amerikanische Autorin Susan Faludi, deren Publikation Männer – das betrogene Geschlecht von 1999 mittlerweile zum Klassiker avancierte, fest. In der Einleitung zu ihrem Werk Kerls! führt Hager nicht nur Faludis kluges Zitat an, sondern macht auch klar, dass es an der Zeit ist, sich nach der oft hysterisch und vulgär geführten #MeToo-Debatte einem auf Kommunikation ausgerichteten „HeyYou“-Feminismus zuzuwenden. Kerls! ist vor allem deshalb so lesenswert und spannend, weil seine Autorin ohne jede Polemik zu ihren äußerst differenzierten Beobachtungen in Bezug auf das Verhalten von Männern und Frauen gelangt. Es geht in diesem Buch nicht nur um Männer, sondern Hager liefert dem Leser genau so viele interessante Einblicke in die Gedanken- und Gefühlswelt des weiblichen Geschlechts.


Mehr Infos über „Kerls!“ und Angelika Hagers Arbeit: 

http://www.kremayr-scheriau.at/bucher-e-books/titel/kerls/

https://www.profil.at/autoren/angelika-hager

https://www.pollyadler.at/

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