
2020 wird Kanada Gastland der Frankfurter Buchmesse. Ein sehr guter Anlass, um sich genauer mit der Literatur eines Landes, in dem ich zwischen August 2007 und Mai 2008 mein Auslandssemester verbracht habe, auseinanderzusetzen. Meine erste Entdeckung: Die Gedichte des im Jahr 2000 verstorbenen Lyrikers Al Purdy.
A hunched grey shape
framed by leaves
with lake water behind
standing on our
little point of land
like a small monk
in a green monastery
meditating
almost sculpture
except that it’s alive
brooding immobile permanent
for half an hour
a blue heron
and it occurs to me
that if I were to die at this moment
that picture would accompany me
wherever I am going
for part of the way
THE LAST PICTURE IN THE WORLD
Aus: „Beyond Remembering – The collected poems of Al Purdy. 2000“
Er war einer der bekanntesten und beliebtesten Schriftsteller Kanadas: Al Purdy wurde 1918 in Wooler, Ontario, geboren und wuchs im nahe gelegenen Trenton auf. Während der Weltwirtschaftskrise 1929 brach er mit 17 Jahren die High School ab und verdiente seinen Lebensunterhalt als Wanderarbeiter in Vancouver, bevor er sich in British Columbia niederließ. In den 1950er Jahren bauten Purdy und seine Frau Eurithe schließlich ein A-förmig geschnittenes Haus am Roblin Lake in Ameliasburgh, Ontario. Es wurde schnell zu einem Treffpunkt für jüngere kanadische Dichter und Schriftsteller, die sich von Purdys großzügigem Wesen und seinem wilden, kreativen Geist angezogen fühlten. Purdy war ein self-made Schriftsteller ohne akademischen Hintergrund, der immer wieder gerne mit seiner fehlenden Bildung kokettierte.
Dass er in Deutschland gänzlich unbekannt ist, liegt daran, dass weder Purdys Roman „A Splinter In The Heart“, noch seine Erinnerungen „Reaching For The Beaufort Sea“ ins Deutsche übersetzt wurden – ebenso wie keiner seiner über 30 Lyrikbände. In seinen in freien Versen verfassten Gedichten, die sich durch ihre lakonisch, oft einfachen Sprache auszeichnen, geht es zwar oft um Kanada und seine Menschen: Die darin beschriebenen Alltagsgeschichten sind jedoch universell. Zu seinen Lyrikbänden zählen unter anderem Poems for All the Annettes (1962),The Cariboo Horses (1965), Wild Grape Wine (1968), Birdwatching at the Equator (1982) oder Rooms for Rent in the Outer Planets: Selected Poems 1962–1966 (1996).
Neben Gedichten veröffentlichte Purdy auch den Roman A Splinter in the Heart (1990) und die Memoiren Reaching for the Beaufort Sea (1993). Er wurde zum Mentor für die weltbekannte kanadische Autorin Margaret Atwood, die er bei ihrem ersten Treffen als „Akademikerin“ bezeichnete, worauf sie ihm ihr Bier über den Kopf kippte. Britischer Humor at its best in nordamerikanischen Gefilden.
Heute bietet die sogenannte „Al Purdy A-Frame Association“ auf dem Gelände von Purdys ehemaligem Haus am Roblin Lake ein Residenzprogramm für kanadische Schriftsteller und Wissenschaftler an. Und 2015 widmete der kanadische Filmemacher Brian D. Johnson Al Purdy mit AL PURDY WAS HERE einen sehenswerten Dokumentarfilm:
„I was desperately unhappy trying to adjust to the world“, sagt der Dichter über sich selbst. Er hinterlässt ein spannendes lyrisches Oeuvre, das es zu entdecken gilt.
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