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Kulturtipps November 2021

Ein paar Kulturtipps von mir für den November 2021!

1. NACHBARŞCHAFTEN – KOMŞULUKLAR: Ein transkulturelles Festival im Thalia in der Gaußstraße

Noch bis 07. November 2021 findet im Thalia in der Gaußstraße ein in dieser Form einmaliges Festival im deutschsprachigen Raum statt: Der Hamburger Stadtteil Altona – oder Altınova, wie die Bewohner mit türkischen Wurzeln den Stadtteil bis heute nennen – ist in diesen Tagen ein Ort, an dem das Zusammenkommen von Kulturen, Ländern und Menschen gefeiert wird. Dass der 60. Jahrestag des Anwerbeabkommens, das es türkischen Arbeiterinnen und Arbeitern Anfang der 1960er Jahre ermöglichte, in der BRD zu arbeiten, in den Zeitraum des deutsch-türkischen Festivals am Thalia Gauß fällt, ist Zufall: „Wir hatten das Bedürfnis, ein Festival zu machen, das sich ganz speziell mit den Menschen der Einwanderungsgesellschaft auseinandersetzt. Und für dieses erste Mal haben wir den Fokus auf die größte Community in Hamburg gelegt: auf die türkeistämmigen Menschen, die in erster, zweiter, dritter oder vierter Generation hier leben“, sagte die Chefdramaturgin des Thalia Theaters, Julia Lochte, in einem Interview mit der ZEIT. Der Titel der Veranstaltungsreihe, „Nachbarşchaften – Komşuluklar“, wurde bewusst im Plural und zweisprachig formuliert, um den Fokus auf das Zusammenleben der zwei Kulturen zu legen, sagt Elvin İlhan, die als Dramaturgieassistentin am Thalia Theater arbeitet und das Programm des deutsch-türkischen Festivals maßgeblich gestaltet hat. İlhan, die in Deutschland und der Türkei aufgewachsen ist und in beiden Ländern studiert hat, hofft, dass es nicht bei einer einmaligen Begegnung zwischen der türkischen und der deutschen Kultur bleibt: „Ich wünsche mir, dass alle, die zum Festival kommen, dort etwas für sich finden. Dass sie irgendetwas in den Stücken, Lesungen, Liederabenden, Workshops entdecken, das sie persönlich anspricht“.

Bis Sonntag, 07. November, zeigt das Thalia in der Gaußstrasse Gastspiele, veranstaltet Lesungen und Schreibworkshops in türkischer und deutscher Sprache, organisiert Konzerte mit türkischer Musik und präsentiert Ausschnitte aus Inszenierungen türkischer Theatergruppen in Hamburg und Eigenproduktionen des Thalia Theaters wie die Inszenierung „Blick von der Brücke“ von Hakan Savaş Mican.

Ein besonderer Tipp von mir: Am 05. und 06. November gibt es im Thalia in der Gaußstraße „Ellbogen„, ein Gastspiel des Nationaltheaters Mannheim, zu sehen. Darin erzählt die Regisseurin Selen Kara zusammen mit ihren Darstellerinnen und Darstellern eine ungeschönte, hochemotionale Geschichte über Verlorenheit, Gewalt und das Erwachsenwerden in einer chaotischen Welt.

Mehr zum Programm des Festivals findet ihr hier:

https://www.thalia-theater.de/programm/thaliaplus/festivals/nachbar-chaften–kom-uluklar

Thalia Gauß
Gaußstraße 190
22765 Hamburg


2. „Lang lebe Josquin!“: Ein Konzert des vodeon Ensembles in der Münchner Himmelfahrtskirche

Die Sänger*innen Hana Katsenes, Anna-Lena Elbert, Berthold Schindler und Israel Martins (v.l.n.r.) © Christian Palm

Am 19.11.2021 ist das vodeon-Ensemble mit seinem Konzert „Lang lebe Josquin!“ in der Münchner Himmelfahrtskirche zu erleben.  Als innovative Solist*innen-Formation interpretiert das Ensemble, dessen Kern aus dem Dirigenten Clayton Bowman sowie den Sänger*innen Hana Katsenes und Berthold Schindler besteht, Musik in immer wieder neuen Konstellationen. Ihre Neugier gegenüber verschiedenen künstlerischen Ausdrucksvariationen lässt die Musiker*innen immer wieder Kooperationen mit Künstler*innen aller Genres von Instrumentalmusik über Tanz bis Schauspiel eingehen. Bei jedem vodeon-Projekt steht dabei eine Sache ganz besonders im Vordergrund: Die kunstvolle Aufführung von Vokalmusik mit der Ästhetik solistisch ausgebildeter Stimmen zu ermöglichen. Auf der Suche nach außergewöhnlichen Programmideen geht vodeon regelmäßig Partnerschaften mit renommierten Künstler*innen ein: Das Konzert am 19.11. gestaltet das Ensemble beispielsweise mit den beiden Sänger*innen Anna-Lena Elbert und Israel Martins. In der Vergangenheit arbeiteten die vodeon-Gründer*innen unter anderem mit der Pianistin Amy Brinkman-Davis, der Poetin Fee Brembeck oder dem Barockorchester Concerto München unter der Leitung von Johannes Berger zusammen.

Das vodeon-Ensemble wurde bei der Produktion seiner ersten CD im Konzerthaus in Blaibach im Bayerischen Wald von dem Fotografen Christian Palm begleitet

Wer es am 19.11.2021 nicht zu „Lang lebe Josquin!“ in die Himmelfahrtskirche schafft, dem sei das wunderbare Album „The Evening Primrose“ des vodeon-Ensembles sehr ans Herz gelegt.

Man darf sehr gespannt sein darauf, ob der im Titel des Konzerts angekündigte, bedeutende Meister der Frührenaissance, Josquin Desprez, tatsächlich am 19.11. zur Aufführung kommt – oder ob das vodeon-Ensemble sein Publikum mit ganz anderen Klängen überrascht.

„Lang lebe Josquin!“
FR 19.11.2021, 20:00 Uhr

Himmelfahrtskirche Sendling
Kidlerstraße 15
81371 München

Tickets (ab 18€) gibt es bei MünchenTicket zu kaufen:

https://www.muenchenticket.de/tickets/performances/esb03ejbh2mg/Lang-lebe-Josquin

3. Uraufführung von Hotel Pink Lulu am Schauspiel Leipzig

© Schauspiel Leipzig

Im vergangenen Jahr erhielt der Autor und Regisseur Emre Akal den exil-DramatikerInnenpreis der WIENER WORTSTAETTEN für sein Drama „Hotel Pink Lulu„. 2018 wurde der alle zwei Jahre vergebene Preis erstmals in Kooperation mit dem Schauspiel Leipzig ausgeschrieben und ist seither mit einer Uraufführung am Schauspiel Leipzig verbunden. Am 19.11.2021 feiert „Hotel Pink Lulu“ von Emre Akal nun in der Regie von Pia Richter in Leipzig Premiere.

Zum Stück: 

Joachim hat sich für eine norwegische Blockhütte entschieden. Drinnen knistert das Feuer im Kamin, während draußen der Schnee leise rieselt. In einem rosa Zimmer komplett aus Plüsch hat sich Claudia eingerichtet. Sie genießt eine gut bestückte Sushi-Bahn, die um ihr Bett aus Marshmallows kreist, zudem einen Cocktail-Service je nach Stimmungslage. Dagegen punktet die syrische Pistazienfarm von Ayla und Najib mit einer malerischen Landschaft, mit dem beruhigenden Rauschen von Wind in den Blättern und einem Bach neben der Veranda. Für jede*n ist das Zimmer im Hotel Pink Lulu so gestaltet wie in den jeweils kühnsten Phantasien erträumt. Dazu die Gesellschaft eines Lulu-Avatars, und kein Bedürfnis der Gäste bleibt ungestillt. Alle Wünsche werden erfüllt, noch bevor sie richtig ins Bewusstsein vordringen. Zurück bleiben die Befriedigten unter VR-Brillen in einer wohligen digitalen Comfortzone für den analogen Winterschlaf. Wunschlos, bedürfnislos, willenlos. So der Idealfall.
Wo sich jedoch Zweifel am Idyll regen oder Fragen nach einem höheren Sinn aufkommen, greift die staatliche Agentur für zeitliche Überbrückung entschieden durch. Schließlich hat nicht jede*r das Glück, in diesen virtuellen Genuss zu kommen. Manche haben ein anderes Los gezogen und müssen hart für das digitale Exil Pink Lulu schuften, um es am Laufen zu halten — ein stabiles System unter Kontrolle. Doch als sich auch bei einer Lulu der rosarote Algorithmus zu einem realen Gefühl verwächst, droht dem Programm der Kurzschluss.

Emre Akal arbeitet als Autor u. a. am Maxim Gorki Theater Berlin und am Landestheater Niederösterreich. Inszenierungen, teilweise auch eigener Texte, realisierte er am Bakirköy Belediye Tiyatrosu und Tatavla Sahnesi in Istanbul, im HochX in München sowie am Theater in der Drachengasse in Wien. Seine interdisziplinären Regiearbeiten bewegen sich im Feld von Performance, Choreographie und Bildkomposition. Für sein Stück „Ostwind“ erhielt er 2015 den Tanz- und Theaterpreis der Stadt Stuttgart, für den Theatertext „Hotel Pink Lulu – Die Ersatzwelt“ 2020 den exil-DramatikerInnenpreis der Wiener Wortstätten. Als Regisseur wurde er 2020 mit dem Förderpreis für Theater der Stadt München ausgezeichnet. Gemeinsam mit 85 weiteren Künstler*innen aus ganz Deutschland gründete Akal im November 2019 das Ayşe X Staatstheater: Ein Zukunftsentwurf zur institutionalisierte Theaterlandschaft. Derzeit ist Emre Akal Artist in Residence an den Münchner Kammerspielen und dort als Autor und als Regisseur in unterschiedlichen Projekten tätig.

Hotel Pink Lulu (UA)
von Emre Akal

Fr, 19.11. 20:00
Premiere
Diskothek (Schauspiel Leipzig)

https://www.schauspiel-leipzig.de/spielplan/a-z/hotel-pink-lulu/

Besetzung

Eidin Jalali als Ayla
Denis Grafe als Nadjib, Lulu 7.0
Christoph Müller als Fatma
Patrick Isermeyer als Joachim
Paulina Bittner als Claudia aus Köln
Annett SawallischThomas Braungardt als Lulu 6.0
Anne Cathrin Buhtz als Stimme aus dem Flurlautsprecher

Team

Regie: Pia Richter
Bühne & Kostüme: Julia Nussbaumer
Dramaturgie: Georg Mellert
Licht: Thomas Kalz
Theaterpädagische Betreuung: Babette Büchele


4. Montforter Zwischentöne: Ein Musikfestival in Feldkirch

Das Festival Montforter Zwischentöne lädt seine Besucher*innen von 04. November bis 01. Dezember 2021 in dem in Vorarlberg gelegenen Ort Feldkirch dazu ein, Transformation und Musik auf eine vielfältige Art und Weise zu erleben.

2015 wurden die Montforter Zwischentöne von der Stadt Feldkirch anlässlich der Eröffnung des neu erbauten Montforthauses gegründet. Für die dramaturgische Basiskonzeption sowie die überwiegende Mehrzahl der Formatentwicklungen zeichnen sich die beiden künstlerischen Leiter Hans-Joachim Gögl und Folkert Uhde verantwortlich – letzteren lernte ich letztes Jahr bei den Köthener Bachfesttagen als genialen Konzertdesigner und Festivalleiter kennen.

Im Zentrum der Veranstaltungsreihe „Montforter Zwischentöne“ steht die künstlerische Auseinandersetzung mit neuen Konzertformaten. Darüber hinaus richteten die Montforter Zwischentöne von Beginn an mit dem „Hugo – Internationaler Wettbewerb für neue Konzertformate“ einen Konzertdesign-Wettbewerb aus, der mittlerweile zum größten universitären Forum für die praktische Auseinandersetzung mit neuen Aufführungspraktiken klassischer Musik im gesamten deutschsprachigen Raum avanciert ist.

Aus den 40 Bewerbungen von Studentinnen und Studenten, die derzeit an deutschsprachigen Musikhochschulen eingeschrieben sind, durften 5 Gruppen ihre Ideen im Berliner Radialsystem digital pitchen: Das Siegerensemble Kollektiv ConTemporament, das aus Musiker*innen der Hochschulen in Nürnberg und Bern besteht, darf seine Vision eines „Konzerts von morgen“ nun im Rahmen der Montforter Zwischentöne zur Aufführung bringen.

Das Siegerprojekt „queerfeldein“ lenkt den Blick auf nicht-konventionelle Liebesbeziehungen. Als Ausgangspunkte der Performance diente den Studierenden der Hochschule der Künste Bern und Nürnberg einerseits die unvollendete Oper „Der Graf von Gleichen“ von Franz Schubert und andererseits die Geschichte der Schriftstellerin Paula Ludwig, die im Jahr 1900 auf Schloss Amberg geboren wurde. Zueinander in Verbindung stehen die Schriftstellerin und der Hauptprotagonist der Oper, weil beide in bigamen Beziehungen lebten. Darüber hinaus bietet die Entstehungsgeschichte des Schlosses Amberg weitere Inspiration, denn Kaiser Maximilian erbaute das Schloss um 1500 für seine Geliebte.

Die Premiere der interdisziplinären Performance „queerfeldein“ findet am 28. November 2021 auf Schloss Amberg in Feldkirch statt.

Mehr Informationen über das gesamte Programm der Montforter Zwischentöne und Tickets gibt es hier: 

https://www.montforterzwischentoene.at/programm-und-tickets/

Hier gibt es eine Übersicht über die Spielstätten der Montforter Zwischentöne: 

https://www.montforterzwischentoene.at/spielstaetten/


5. „Lieber Thomas“: Ab 11. November im Kino

Am 11. November 2021 startet einer der besten Filme dieses Jahres in den deutschen Kinos: Mit „Lieber Thomas“ zeichnet der Regisseur Andreas Kleinert dem Dichter, Dramatiker, Filmschaffenden und Übersetzer Thomas Brasch ein sehr differenziertes Bild eines Schriftstellers, der auch nach seiner erfolgreichen Flucht aus der DRR im Jahre 1976 und dem anschließenden beruflichen Erfolg in der BRD nur eines wollte: Von den Menschen in seiner Heimat gelesen und wahrgenommen werden. In seinem Schwarz-Weiß-Film vermischt Kleinert auf eine faszinierende Art und Weise Wahrheit und Fiktion, indem er immer wieder Traumata und (tödliche) Fantasien von Brasch in Szenen visualisiert, die in ihrer Drastik und gleichzeitigen Nüchternheit einem Drama der Theaterautorin Sarah Kane entsprungen sein könnten.

„Lieber Thomas“ mit dem überragenden Albrecht Schuch in der Hauptrolle ist weit mehr als ein klassisches Biopic: Jenseits aller Klischees erzählt dieser Film vom Leben in der DDR in all seinen tragischen, aber auch sehr rebellischen Facetten. Ein filmisches Gesamtkunstwerk mit einem eindringlichen Soundtrack, das klar macht, was es für einen kreativen Menschen bedeutet, seine Heimat für immer zu verlieren.

„Lieber Thomas“
Genre: Drama
Regie: Andreas Kleinert
Mit: Albrecht Schuch, Jella Haase, Ioana Iacob

Ab 11.11.21 im Kino

https://www.wildbunch-germany.de/movie/lieber-thomas

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