Ein ganz besonderer Ort für Kunstliebhaber – die Galerie Kornfeld in Berlin!
Mein erster Blick fällt auf das Werk „Cave Tellers“ der georgischen Biennaleteilnehmerin Tamara Kvesitadze, obwohl mich die einzigartige Aussicht auf den Garten der Galerie Kornfeld durch die breite Fensterfront im vorderen Teil der Galerie nicht minder fasziniert.
„Come and visit us while you are in Berlin“, las ich vor meiner Abreise zur Berlinale unter einem Post auf meiner Instagram-Seite. Einige Monate zuvor war ich auf die Galerie Kornfeld aufmerksam geworden, als sie anfing, meinen Kulturflüsterin-Account zu abonnieren. Nichts Ungewöhnliches auf Instagram – schließlich versuchen viele Galerien, Ausstellungshäuser und Museen, ihre Reichweite zu vergrößern, indem sie in den Sozialen Medien möglichst viele Kunstliebhaber ausfindig machen – und hoffen, dass ihnen diese dauerhaft zurückfolgen. Doch ich merkte schon bald, dass die Galerie Kornfeld in dieser Hinsicht anders war und einen echten Austausch mit ihren Abonnenten suchte.
Ich machte mich also an meinem letzten Berlinale-Tag auf nach Charlottenburg, wo die Galerie für internationale zeitgenössische Kunst seit ihrer Gründung im Jahre 2011 in der Fasanenstraße 26 residiert. „Liebe Lena, ich muss zum Gießer. Timen und Janina sind aber ab 11 Uhr da. Freuen uns auf deinen Besuch“, schrieb mir Alfred, den alle Freddy nennen, auf meinem Weg zur Galerie auf Instagram. Der Kunstsammler und Unternehmer hat die Galerie 2011 mit seinen Mitgesellschaftern Anne Langmann und dem aus Georgien stammenden Kurator Mamuka Bliadze an einem besonderen Ort eröffnet: In der Fasanstrasse 26 unterhielt der Suhrkamp Verlag bis Anfang 2010 eine Berliner Dependance.
Nach diesem unkomplizierten Erstkontakt begrüßte mich der Direktor der Galerie, Dr. Tilman Treusch, nicht minder herzlich und offen, als ich die Ausstellungsräume an jenem Dienstagmittag betrat. Obwohl ich seit Jahren ein großer Freund zeitgenössischer Kunst bin, habe ich den Besuch in Galerien bisher immer ein wenig gescheut, weil sie für mich mehr Verkaufs- als Ausstellungsräume waren. Die Stunden, die ich an jedem Tag in Charlottenburg verbringen durfte, haben mich jedoch auf eine sehr positive Art und Weise eines Besseren belehrt. Von Skulpturen über Gemälde bis hin zu experimenteller Fotografie – jeder der sorgfältig ausgewählten Ausstellungsgegenstände in den lichtdurchfluteten beiden Räumen der Galerie Kornfeld zieht einen sofort in seinen Bann.
Ich entdecke das Werk „Photo n°1“ von Stéphane Couturier und erinnere mich an eine Rezension, die ich während einer Reise unseres Kulturkritik-Studiengangs zum Festival d’Avignon über Couturiers Ausstellung „Melting Point – Avignon“ geschrieben habe. Dort zeigte der bedeutende französische Fotograf 2011 in seinen schachbrettartig angelegten Bildkompositionen den Kontrast zwischen der Winter- und der Sommersaison an verschiedenen Spielstätten des Festival d’Avignon. Jedes Bild Couturiers ist grundsätzlich das Ergebnis einer speziellen Bildkonstruktion, mit der er die Grenzen von Klarheit und Mehrdeutigkeit zu sprengen versucht. Das in der Galerie Kornfeld ausgestellte „Photo n°1“ ist nicht einfach nur das Abbild einer Kirche in San Francisco, sondern ein verwirrend-schönes Werk, das mit verschiedenen Wirklichkeits- und Wahrnehmungsebenen spielt.
Tilman Treusch erzählt mir an diesem Dienstag mit einer Leidenschaft und Begeisterung, wie ich sie selten im Kulturbetrieb erlebt habe, über die von der Galerie vertretenen Künstler. In den Ausstellungsräumen präsentieren unter anderem der Fotograf Hubertus Hamm und die Video- und Installationskünstlerin Olivia Mc Gilchrist ihre Arbeiten. Am meisten fasziniert mich aber die Kunst von Tamara Kvesitadze, deren Werk „Last Supper“ im Zentrum der gerade laufenden „Supper Club“-Ausstellung steht. Die Idee des „Supper Clubs“ – also eines Zusammentreffens verschiedener Menschen und Kulturen mit einem gemeinsamen Interesse – war der Ausgangspunkt für die erste Ausstellung der Galerie im Jahre 2017. Bereits von ihr vertretene Künstler und Gastkünstler brachten ein oder zwei Werke als Gastgeschenke in Form von Skulpturen, Fotografien, Gemälden, Arbeiten auf Papier und Installationen mit, die sich thematisch mit den im Letzten Abendmahl formulierten Themenkreisen des Gastmahls, des Glaubens und der Passion auseinandersetzen.
Eines davon ist „Cave Tellers“ von Tamara Kvesitadze – eine surrealistische Interpretation von Kvesitadzes eigener Lebensgeschichte und der ihres Heimatlandes Georgien. In dieser Mixed Media-Arbeit versuchen die Figuren vergeblich, die Grenzen ihres engen, von außen vorgegebenen Kosmos zu sprengen. Kämpferisch und mutig geben sie sich trotz der Situation, in die sie unfreiwillig hineinkatapultiert wurden.
Tamara Kvesitadzes Werk „Last Supper“ im hinteren Raum der Galerie ist hingegen eine moderne Umsetzung des Letzten Abendmahl-Motivs. Dieses puristisch gehaltene, schwebende Arrangement aus Tellern, Weinflaschen und -gläsern wirkt faszinierend in Schlichtheit – doch hat es in seiner Strenge und Exaktheit auch etwas Bedrohliches. Denn eine gelöste Unterhaltung könnte an solch einer Tafelrunde wohl nur schwerlich stattfinden.
Da findet dafür in der Galerie selbst von Zeit zu Zeit statt: Tilmann Treusch erzählt mir von einem Abendessen mit befreundeten Künstlern inmitten all dieser wunderbaren Kunstwerke. Damit steht die Galerie ganz in der Tradition des Suhrkamp Verlags, der in der Fasanenstraße 26 regelmäßig zu literarischen Salonabenden einlud. Mit einem guten Glas Wein in der Hand im Sommer einen Blick auf den Garten der Galerie werfen und dabei über Kunst diskutieren – welch eine schöne Vorstellung!
Zum Schluss führt mich Tilmann Treusch noch gegenüber in den Projektraum 68projects, der seit 2014 in der Fasanenstraße 68 eine Erweiterung des Galerieprogramms mit kuratierten Themen-Ausstellungen bietet. „Architektur und Abstraktion“ lautet der Titel der Ausstellung, die bis Anfang März 2017 zu sehen war – unter anderem mit den Bildern von Andrea Grützner, die als Koblenzer Stadtfotografin im Sommer 2015 die Fassaden des Ortes und ihre Raster unter die Lupe nahm.
Und weil ich schon einmal da bin, darf ich sogar einen Blick in die Büros der Mitarbeiter im hinteren Teil des Projektraums 68projects werfen. Jedes Büro atmet hier Kunst – besonders der Besprechungsraum, in dem einige Werke von Hubertus Hamm durch die verschiedenen Lichtstimmungen, die in diesem Raum erzeugt werden können, aus ganz verschiedenen Perspektiven betrachtet werden können.
Die Offenheit und die Freundlichkeit, mit der man mich in der Galerie Kornfeld empfangen hat, hat mich absolut überwältigt. Ich kann euch einen Besuch dieses ganz besonderen Ortes in Berlin wirklich sehr ans Herz legen – so viele Kunstwerke spannender zeitgenössischer Künstler habe ich lange schon nicht mehr an einem einzigen Ort erleben dürfen!
Link zur Website der Galerie:
http://www.galeriekornfeld.com/
Die Galerie auf Instagram: