Gerade wurde Necati Öziris Debütroman VATERMAL auf der Longlist des Deutschen Buchpreises 2023 aufgenommen. Ein aufwühlendes, packendes und vielschichtig erzähltes Buch, das man unbedingt gelesen haben sollte!
“Ihr seid vielleicht abgehauen, aber wir konnten euch nicht entkommen. Ihr wart beides, weg und trotzdem da. Und deshalb hätten wir euch doch gebraucht. Aber anders“
Necati Öziri hat mit „Vatermal“ einen fulminanten Debütroman veröffentlicht, dessen Lektüre ich euch unbedingt empfehlen möchte!
Öziris Familiengeschichte beginnt auf der Intensivstation, wo der Literaturstudent Arda mit Organversagen liegt und einen Brief an seinen Vater schreibt, den er nie kennengelernt hat. Wir erfahren wenig über Metin, wie Arda seinen unbekannten Vater nennt: Nur so viel, dass er seine nach Deutschland geflüchtete Familie in einer Nacht- und Nebelaktion verließ und nach seiner Rückkehr in die Türkei wegen Mordes im Namen der Blutrache verhaftet wurde.
„Vatermal“ handelt nicht nur von Arda und Metin, sondern unter anderem auch von Ardas Schwester Aylin – die zweite große Leerstelle in Ardas Leben. Eines Tages befreit sie sich aus der der Enge ihres bisherigen Lebens und taucht erst Jahre später wieder an Ardas Krankenbett auf. Aylins und Ardas Mutter Ümran hat derweil ihre persönliche Flucht im Alkohol gefunden: Zu schwer wiegen die Erinnerungen an die Traumata ihrer Kindheit – und zu sehr bringt sie das Leben als alleinerziehende Mutter in einem Land voller sozialer Kälte an ihre Grenzen. Weil Aylin und Ümran Arda nicht den emotionalen Halt geben können, den er bräuchte, konstruiert er sich gemeinsam mit seinen Freunden Danny, Bojan und Savaş sein eigenes Bild von Männlichkeit, das größtenteils von Härte, Stärke und Wut, aber auch von Zusammenhalt und dem Wunsch nach bedingungsloser Liebe geprägt ist.
Dass Necati Öziri Aylin und Ümran weder in eine Opferrolle drängt, noch zu Heldinnen stilisiert, ist die große Stärke dieses tief bewegenden Romans. Meisterhaft changiert Öziri in „Vatermal“ zwischen humorvollen und tragischen Passagen – und setzt sich dabei jenseits von Zuschreibungen wie „männlich“ oder „weiblich“ mit der Frage auseinander, wie sich das familiäre Umfeld und die Rolle, die man darin einnimmt, auf die Suche nach der eigenen Identität ausprägen.
Mehr über „Vatermal“:
https://www.ullstein.de/werke/vatermal/hardcover/9783546100618