Kategorien
Allgemein Kunstgeflüster

Im Atelier der Künstlerin Lisanne Wepler

Ein Gespräch mit der deutschen Künstlerin Lisanne Wepler in ihrem Atelier in der holländischen Stadt Leiden.

Es ist das Highlight unseres Holland-Besuchs im Juni 2023: Zusammen mit meiner Freundin Daniela Sistermanns besuche ich die deutsche Künstlerin Dr. Lisanne Wepler in ihrem Atelier in Leiden – einer 45 km südwestlich von Amsterdam gelegenen Universitätsstadt mit rund 127.100 Einwohner:innen, die sich durch ihre beeindruckende Architektur auszeichnet. Die studierten Kunsthistorikerinnen Lisanne und Daniela lernten sich während ihrer gemeinsamen Zusammenarbeit am Herzog Anton Ulrich-Museum in Braunschweig kennen, wo Lisanne nach ihrer Promotion an der Universität Bonn zum Thema „Bilderzählungen in der Vogelmalerei des niederländischen Barocks“ von 2013 und 2015 ein wissenschaftliches Volontariat absolvierte. 

Im Herbst 2018 begann Lisanne, auch selbst als Künstlerin tätig zu werden. Damals hatte sie Burkhardt Söll gefragt, ob sie ein Kunstwerk für das Projet „Le Jardin garde le sourire – The garden is still smiling“ besteuern würde.

„Jeder sollte eine Grafik anfertigen mit dem Oberthema ‚Garten‘. Mit einer winzigen Platte, 4 x 4 cm habe ich also begonnen. Das erste Motiv war eine Kreuzspinne im Brombeerbusch. Da das Atelier von Burkhardt damals direkt hinter unserem Haus in der Kaasmarktschool war, die auch noch eine Art Hofgarten hatte – also Wildwuchs in einem etwas verkommenen und dadurch umso pittoreskeren gepflasterten Hof – konnte ich unkompliziert an meinem Werk weiterarbeiten“.

„Bevor ich mit Druckgrafik angefangen habe, habe ich einen 2-jährigen Intensivkurs Sumi-e gemacht. Das ist japanische Tuschemalerei (sumi = Tusche, e = Malerei). Daran hat mich neben der Spontanität und der Lebendigkeit der Darstellung vor allem der Kontrast zwischen der schwarzen Tusche und dem weissen Papier fasziniert. Genau wie in der Grafik, wo man mit den unterschiedlichsten Schattierungen von Schwarz experimentieren kann. Neben dem künstlerischen Aspekt interessiert mich auch all das Handwerkliche, welche Technik man verwendet, welches Material, welche Säure, welches Papier, welche Druckfarbe den Druck verändert“.

Die Schwerpunkte, die Lisanne Wepler in ihrer Arbeit setzt, haben sich seit Beginn ihrer künstlerischen Tätigkeit noch einmal verlagert. „Am Anfang wollte ich einfach nur schöne Kompositionen machen, vielleicht ein bisschen Deko-artig – dabei spielten Vögel eine grosse Rolle. Die Motive habe ich auf Fotos gefunden und habe sie mir dann zusammengebaut. Also die Komposition von einem zweidimensionalen Medium in ein zweidimensionales Medium transferiert.

Mittlerweile arbeite ich fast ausschliesslich vor dem Objekt selbst – gerade sind das Bäume – lebende Skulpturen. Ihre Wuchsform, Aststruktur und Rindenausprägung fasziniert mich. Bäume bewegen sich nicht so schnell wie Vögel und sind ein unerschöpflicher Quell von Schönheit. Irgendwie kann man vor dem dreidimensionalen Objekt mehr sehen und eine bessere Beziehung dazu aufbauen, vielleicht ein Stückchen von der Seele erahnen“.

In der Evertsenstraat 115 in Leiden befindet sich das Atelier von Lisanne Wepler, das sie sich mit ihrem Lebensgefährten, dem renommierten Kunsthistoriker Gregor J. M. Weber, der 14 Jahre lang die Abteilung Bildende Kunst des Amsterdamer Rijksmuseums leitete, Burkhardt Söll und dessen Frau Manuela du Bois-Reymond teilt – du Bois-Reymond lehrte Pädagogik und Jugendsoziologie an der Universität Leiden und verfasst heute als Lyrikerin unter anderem Gedichte zu Burkhardt Sölls Druckserien „Im Garten“ oder „La Maison enchantée – Oder: Wer rettet Tier und Mensch“. Zusammen mit Burkhardt Söll, Manuela du Bois-Reymond und Gregor J.M. Weber gründete Lisanne Wepler 2020 das  Künstler*innenkollektiv drukdrukpaint, dessen Atelier direkt an Polymetaal, einen großen Fachhandel für Grafikbedarf, angrenzt. Untergebracht ist das Atelier in einem Raum im Olga-Geschäftszentrum – einem ehemaligen Fabrikgelände, das heute Büros und Ateliers beherbergt. Das Kollektiv beschäftigen sich hier unter anderem mit alten Drucktechniken wie dem Tiefdruck.

Der Austausch mit den Burkhardt Söll, Manuela du Bois-Reymond und Gregor J.M. Weber sei dabei sehr wichtig für sie. „Wir fragen uns gegenseitig um Rat, organisieren Ausstellungen und laden befreundete Künstler*innen ein, an Projekten teil zu nehmen oder eigene Projekte umzusetzen. Das ist sehr inspirierend!“

Vor der Tür des Ateliers befindet sich eine kleine Terrasse, auf der Daniela und ich gemeinsam mit Lisanne und Gregor die Pflanzen und das Gemüse bewässern. Nicht etwa mit dem Gartenschlauch, sondern aus Eimern, mit denen wir das Wasser aus dem angrenzenden Nieuwe Rijn holen. Es hat etwas Magisches, hier bei schönem Wetter abends am Wasser zu sitzen und zu beobachten, wie das Wechselspiel aus Kunst und Natur an diesem einzigartigen Ort die eigene Wahrnehmung schärft. 

Im Moment arbeitet Lisanne vor allem am Wochenende im Atelier, da sie während der Woche einen Vollzeitjob als Interim-Kuratorin am Rijksmuseum hat. Neben ihrer Arbeit als Kunsthistorikerin ist es ihr sehr wichtig, auch selbst als Künstlerin tätig zu sein. „Man entwickelt ein Gefühl für das Material und die Handhabung von Kunstwerken, was die kuratorische Praxis im Museum nur bereichern kann. Darüber hinaus lernt man Dinge besser kennen, wenn man sie mal gezeichnet hat und sieht dann auch wieder, wie andere KünstlerInnen schauen, umsetzen und was ihnen wichtig ist beim Werkprozess. Ausserdem ist es auch toll, mit diesem Hintergrund Blätter von dem Grafikgott Rembrandt zu betrachten. Einfach unglaublich, wie er gearbeitet hat. Da will jede/r hin…“.

Liebe Lisanne, lieber Gregor: Ich habe die gemeinsame Zeit mit Daniela bei euch im Atelier sehr genossen! Herzlichen Dank für eure Gastfreundschaft und für den Einblick in dein künstlerisches Schaffen, Lisanne!

Mehr Informationen über das Künstler*innen-Kollektiv drukdrukpaint: 

https://www.drukdrukpaint.com
https://www.drukdrukpaint.com/drukdrukprint/editions

Die Ateliergemeinschaft ist zu finden in der:

Evertsenstraat 115
2315 RZ Leiden

 

Kommentar verfassenAntwort abbrechen