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Adventsgeflüster #18: Im Theater mit Emre Akal

Eine sehr wichtige Begegnung für mich in diesem Jahr – sowohl in künstlerischer, als auch in menschlicher Hinsicht: Der Autor und Regisseur Emre Akal.

Zum ersten Mal traf ich Emre Anfang Juli 2020 vor den Münchner Kammerspielen, nachdem wir Anfang des Jahres auf Instagram in Kontakt miteinander gekommen waren.

Man spürte Anfang Juli sehr deutlich, wie froh Emre trotz seiner enormen Schöpfungskraft in den Monaten des ersten Corona-Lockdowns der persönliche Austausch mit anderen Theaterbegeisterten gefehlt hatte – und auch ich war sehr froh darüber, dass unser Interview-Gespräch nach all der digitalen Kommunikation nun tatsächlich von Angesicht zu Angesicht stattfinden konnte.

© Jean-Marc Turmes

An diesem Tag im Juli ergab sich nicht nur ein sehr schönes Gespräch mit Emre, sondern ich lernte durch ihn auch Melisa Kaya, die persönliche Referentin der Kammerspiel-Intendantin Barbara Mundel, kennen. Eine Begegnung, die so erfrischend und herzlich war, dass wir uns seitdem immer wieder zu dritt treffen, um über das Theater und die Welt zu philosophieren.

Emre Akal treibt unter anderem seit langem die Frage um, wie man über kollektive Bewusstseinswerdung zu einer neuen Form der Zusammenarbeit in Kulturinstitutionen finden kann. Er ist ein Suchender, ein Forschender, ein Wissbegieriger. Einer, dem es darum geht, sich nicht an gängigen Klischees und Rollenmustern abzuarbeiten, sondern sich als Künstler ständig weiterzuentwickeln.

Als Regisseur liebt es Emre, seine Zuschauer*innen mit vollkommen neuen Perspektiven und Sichtweisen auf ein Thema zu konfrontieren. Politisches Theater, Performance, Choreografie: All diese Begriffe lassen sich mit Emres Art und Weise, Theater zu begreifen und seine Ideen auf der Bühne umsetzen, in Verbindung bringen. Doch seine Inszenierungen gehen weit über das hinaus, was man üblicherweise mit diesen Genres und Stilrichtungen assoziiert. Wie ein Musiker komponiert Akal seine eigenen Texte und betrachtet seine Regiearbeiten als Partitur, deren Rhythmus und Dynamik sich im Austausch mit den jeweiligen Spieler*innen immer wieder verändern können. Emre Akals Arbeiten als Autor und Regisseur waren in den vergangenen Jahren am WERK X in Wien, dem Bakirköy Belediye Tiyatrosu in Istanbul, an den Münchner Kammerspielen und am Maxim Gorki Theater in Berlin zu sehen. Mit seinem Stück Ostwind, für das er 2015 den Tanz- und Theaterpreis der Stadt Stuttgart und des Landes Baden-Württemberg erhielt, gastierte er 2016 an den Münchner Kammerspielen. Im selben Jahr entwickelte er mit Nurkan Erpulat das Stück Love it or leave it! am Maxim Gorki Theater und mit Hakan Savaş Mican ein Stück am Landestheater Niederösterreich. Im Mai 2017 gewann Akal den Jurypreis beim Nachwuchswettbewerb des Theaters Drachengasse in Wien und brachte darüber hinaus das Stück Heimat in Dosen zur Uraufführung. Nach Mutterland…stille im Jahr 2017 war zuletzt sein Stück Frau F. hat immer noch Angst im Januar 2019 in der freien Spielstätte HochX in München zu sehen.

Im November 2019 fiel dann der Startschuss für ein langfristig angelegtes Projekt von Emre Akal und seinen Mitstreitern: Mit Ayşe X Staatstheater entwarfen sie das Modell eines Theater der Zukunft als integrativem, gesellschaftspolitisch relevantem Ort. Das Theater als Gegenraum, in dem die Möglichkeit besteht, Menschen mit konträren Meinungen und Sichtweisen zusammenzubringen.

Es ist schier unglaublich, was in den Monaten seit unserem Interview im Juli 2020 alles in Emres Leben passiert ist: Er erhielt unter anderem den Förderpreis für Theater der Stadt München und wurde vor einigen Wochen für sein Theaterstück Hotel Pink Lulu – Die Ersatzwelt mit dem exil-DramatikerInnenpreis 2020 ausgezeichnet, den die Wiener Wortstaetten in Kooperation mit dem Schauspiel Leipzig und dem Verein exil verleihen. Der mit einem Preisgeld von € 3.000,- dotierte exil-DramatikerInnenpreis ist mit einer Uraufführung am Schauspiel Leipzig in der Spielzeit 2021/22 verbunden.

Darüber hinaus ist Emre seit diesem Jahr Teil des Autorenpools des renommierten Verlags S. FISCHER Theater & Medien.

Für die Reihe „Kopfkino“ des HochX-Theaters – eine Serie literarischer Spaziergänge durch den Kopf und die Stadt München von jungen Münchner Autor*innen – schriebt er den Text „Plattenbauphilosophie„, der beim Festival RODEO 2020 von der Schauspielerin Henriette Fridoline Schmidt und dem Schauspieler Benno Heisel während einer Wanderung durch Neuperlach live performt wurde.

Im Herbst war das digitale Kurzdrama 12qm Körperformation, das Emre und sein Zwillingsbruder Kazim während des ersten Lockdowns im Frühling mithilfe von Virtual Reality-Brillen entwickelt hatten, im Rahmen der Ausstellung SETTING #R.W.F. alive im „mim – Raum für Kultur“ im Münchner Glockenbachviertel zu sehen.

Kazim Akal, der derzeit mit seinem Cousin Mehmet als Künstlerduo Mehmet&Kazim große Erfolge in der Kunstwelt feiert, schuf gemeinsam mit Emre anlässlich einer Charity-Aktion der Fassbindertage aus virtueller Knetmasse eine Beziehungsrealität, die in den Zeiten von Kontaktbeschränkungen zum Gefängnis wird.

Lieber Emre, durch dich hat sich in diesem Jahr ein Tür in eine neue Welt geöffnet, die wesentlich diverser und vielfältiger ist, als diejenige Welt, die ich davor als meine Realität wahrgenommen habe. Deine Neugierde, deine Toleranz gegenüber unbekannten Gesprächspartnern und deine Menschlichkeit sind nur einige Charaktereigenschaften, die dich als besonderen emphatischen Künstler auszeichnen. Vielen Dank für all die Inspiration, die du mir immer wieder mit auf den Weg gibst! Ich freue mich auf all die Begegnungen mit dir 2021 und gratuliere dir noch einmal ganz herzlich zu all deinen beruflichen Erfolgen in diesem Jahr!

© Charlie Casanova

 

https://emreakal.de/

Instagram @rasim_emre_akal


Vielen Dank für eure Spende für die Künstlerinnen und Künstler, die sich mit einem Beitrag an meinem Adventskalender beteiligen. Alle Infos zu meiner Spendenkampagne findet ihr unter:

https://www.betterplace.me/adventsgefluester-live

*Da es sich um eine private Spendenaktion handelt, kann ich leider im Anschluss keine Spendenquittungen ausstellen. Ich bitte um euer Verständnis!

 

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