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Kreativität und Kultur: Unterwegs mit dem Siemens Arts Program in Salzburg

„Das Wichtigste am Dirigieren ist das Zuhören“, sagt Stephan Frucht, künstlerischer Leiter des Siemens Arts Program, das 1987 als „Siemens Kulturprogramm“ ins Leben gerufen wurde und sich in den 1990er Jahren zu einem internationalen Förderprogramm für zeitgenössische Kunst und Kultur weiter entwickelte. Der Dirigier-Workshop war das Highlight der Blogger-Reise des Siemens Arts Program nach Salzburg, zu der ich Anfang August zusammen mit sieben anderen Kulturbloggern und -journalisten unter dem Motto „Kreativität & Kultur – ist das effizient oder kann das weg?“ eingeladen war. Zwei sehr inspirierende Tage, in denen wir unter anderem darüber diskutierten, wie wichtig Kreativität und Kultur für ein Wirtschaftsunternehmen wie Siemens sind – und was Kulturinstitutionen in Sachen Organisationsstruktur und Führungsqualitäten von der Wirtschaft lernen können (Werbung // Anzeige // Bloggerreise).

Weil ich einen Tag vor unserem Dirigier-Workshop Geburtstag hatte, durfte ich an diesem Donnerstagmorgen in einem Probenraum des Großen Festspielhauses in Salzburg als erste von acht Bloggern und Kulturjournalisten mein Können unter Beweis stellen. Der künstlerische Leiter des Siemens Arts Program, Dr. Stephan Frucht, fragte mich, was ich gemeinsam mit dem Kammermusik-Ensemble Salzburger Orchester Solisten zum Besten möchte. Gute Frage: Die Kleine Nachtmusik, bei der der studierte Dirigent einleitend den Takt vorgegeben hatte, traute ich mir noch nicht zu. Ich solle es am besten mit einer Tonleiter versuchen, meinte Stephan Frucht und warf mir einen aufmunternden Blick zu. Ich fühlte mich nicht wirklich wohl in meiner Haut, aber die sehr sympathischen Musikerinnen und Musiker im Probenraum des Großen Festspielhauses motivierten mich dazu, ihnen die schönste Tonleiter überhaupt zu entlocken. Anstatt mir auf die Schnelle ein künstlerisches Konzept für meinen ersten Auftritt als Dirigentin zu überlegen, versuchte ich jedem der rund zehn Musiker im Raum meine ungeteilte Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Ich fühlte mich von Sekunde zu Sekunde ein Stück wohler – rein musikalisch gesehen aber war ich nach meinem Auftritt überhaupt nicht zufrieden mit meiner Leistung. Vor lauter Aufregung hatte ich das Ensemble seine Tonleiter nicht fertig spielen lassen und mir keinen großen dynamischen Bogen für meine Tonleiter-Interpretation überlegt. Ich dachte an Mr. Beans berühmten Sketch auf dem Weihnachtsmarkt und wünschte mir in genau diesem Moment ein bisschen mehr von seiner Inbrunst und seiner Ungeniertheit.

Dirigieren: Das hat vor allem etwas mit Psychologie und sehr guter Vorbereitung zu tun. Aber auch mit einer gewissen Strenge und enormen Führungsqualitäten. Wichtiger als all das aber sei die Fähigkeit, zuzuhören, meinte Stephan Frucht. Seit 2015 ist der Kulturmanager und Musiker künstlerischer Leiter des Siemens Arts Program, das 1987 zunächst mit dem Ziel gegründet wurde, die Kulturarbeit innerhalb der Siemens AG zu fördern. Mit Michael Roßnagel, der 1992 zum Leiter des Siemens Arts Program berufen wurde, verlagerte sich der Schwerpunkt der Förderung auf regionale und internationale Kulturprojekte. Derzeit setzt das Siemens Arts Program durch die Entwicklung und Umsetzung spannender Kooperationen in den Bereichen Bildende Kunst, Kulturelle Bildung und Musik neue Akzente in der Kunst- und Kulturlandschaft. Im vergangenen Jahr wurde unter anderem ein Immersive-Sound-Projekt mit der Orchesterakademie des Bayerischen Staatsorchesters und Jakob Spahn, dem Solocellisten des Staatsorchesters, umgesetzt.

Dabei spielten die Musiker Werke von Peter Tchaikowsky und Friedrich Gulda so ein, dass der Rezipient die Qualität der Klänge dreidimensional erfahren konnte und den Eindruck hatte, er würde sich inmitten des Orchesters befinden. Die 3D-Audio-Aufnahmen wurden darüber hinaus mit einer Augmented Reality-Anwendung verbunden, so dass ein Avatarorchester das Konzert von Friedrich Gulda im 3D-Audio Sound spielte. Dadurch, dass die Zuhörer und Betrachter die einzelnen Orchesterstimmen auf dem Touchpad selbst selektieren konnten, wirkten sie als Akteure an ihrem eigenen, höchst individuellen Konzerterlebnis mit.

„3D-Klang für klassische Musik von Morgen“ war eines von mehreren Projekten des Siemens Arts Program, das uns Stephan Frucht nach unserer Ankunft in Salzburg am Mittwochabend gemeinsam mit seinen Mitarbeiterinnen Martina Heindler, Katrin Jahn und Julia Ripke vorstellte. Seit 1996 unterstützt Siemens die Salzburger Festspiele als Projektsponsor und seit 1999 als Hauptsponsor. Zeitgleich mit den Salzburger Festspielen finden seit 2002 die Siemens Fest>Spiel>Nächte statt, die es jährlich mehr als 70.000 Gäste ermöglichen, Opern- und Theateraufführungen auf der großen Leinwand auf dem Salzburger Kapitelplatz zu sehen. Seit 2008 findet an den Wochenenden zusätzlich dazu da Kinder>Festival statt, das auch den jüngsten Zuschauern einen Zugang zur Kultur ermöglicht.

Allein die Tatsache, dass neben Stephan Frucht auch Anna Sebestyen, zuständig für die Bereiche Branding, Sponsoring & Events bei der Siemens AG Österreich, bei der Diskussionsrunde nach unserer Ankunft in Salzburg am Mittwochabend anwesend war, zeigt den hohen Stellenwert, den diese Bloggerreise für das Siemens Arts Program hatte. Ich freute mich darüber, mit Angelika Schoder von mus.er.me.ku einem der derzeit wichtigsten und renommiertesten Kulturblogs im deutschsprachigen Raum, ein bekanntes Gesicht unter den Eingeladenen zu entdecken. Mit Angelika war ich bereits im Januar 2019 zu Gast in Dortmund bei der Bloggerreise anlässlich der Jugendstil-Ausstellung „Rausch der Schönheit“ im Dortmunder Museum für Kunst und Kulturgeschichte. Neben Angelika hatte das Team des Siemens Arts Program sechs weitere, sehr spannende BloggerInnen und JournalistInnen nach Salzburg eingeladen, die im Haupt- oder wie ich im Nebenberuf die digitalen Kommunikationsmöglichkeiten nutzen, um kulturelle Inhalte und Themen für ihre Leser aufzubereiten:

  • Wilkin Schröder betreibt gemeinsam mit zwei Partnerinnen den Interior-, Lifestyle- und Design-Blog HERZ&BLUT in Berlin
  • Hanno Hauenstein lebt ebenfalls in Berlin und ist freischaffender Kulturjournalist. Er arbeitete anderem als Texter und Producer für Ai Weiwei’s Dokumentarfilm „Human Flow“
  • Lisa Ruhfus ist ausgebildete Opernsängerin und arbeitet sehr erfolgreich als Journalistin, Moderatorin und Produzentin
  • Axel Kopp lebt in Köln arbeitet hauptberuflich als Kulturmanager und betreibt nebenher einen eigenen Blog über Kulturmanagement und Online-Marketing
  • Dr. Christian Gries leitet seit 2015 das Projekt „Digitale Strategien für Museen“ an der in München ansässigen Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern und ist unter anderem Gründungsmitglied der Münchner „Kulturkonsorten“ – ein Netzwerk für Kunst, Kultur, Wissenschaft und Kommunikation im digitalen Raum. Und unter „Iliou Melathron“ findet man Christian auch als Blogger im Netz.
  • Christian Holst ist Dozent, Forscher und Projektmanager, lebt in Hamburg und bloggt auf christianholst.de über die Themen Kulturmanagement, Digitalisierung und Unternehmertum

An unserem ersten Abend in Salzburg diskutierten wir vor allem über die Frage, wer mehr von wem lernen kann: Die Kultur von der Wirtschaft oder umgekehrt. Fest steht, dass Wirtschaftsunternehmen Kulturbetrieben oft um einiges voraus sind, wenn es um feste Organisationsstrukturen oder um die Einhaltung arbeitsrechtlicher Standards geht. Zudem ist die Tatsache, dass in einer Kulturinstitution kreative Inhalte produziert und vermittelt werden, noch lange kein Garant dafür, dass den Mitarbeitern genügend Freiraum geboten wird, um sich kreativ zu entfalten. Machtansprüche, Herrschaftsdenken und die Ausübung von psychischem Druck sind gerade in der Kultur beliebte Mittel, um den eigenen Führungsanspruch zu legitimieren. Für mich hat gute Führung weder etwas mit blindem Gehorsam, noch mit einer Stärkung der Basisdemokratie zu tun. Ich erwarte von einer Leitungskraft auch keine Superman-Qualitäten. Viel mehr sollte er oder sie eine auf die Zukunft gerichteten Vision für das eigene Unternehmen entwickeln und den respektvollen, menschlichen und fairen Umgang untereinander zur wichtigsten Leitlinie für die Kommunikation nach innen und nach außen erheben. Gerade daran hapert es derzeit in vielen Kulturinstitutionen, die sich Humanität und Moral zwar in der Theorie auf die Fahnen schreiben, aber im täglichen Arbeitsprozess oft nicht für die Einhaltung dieser Grundwerte sorgen.

Am Tag nach unserem ersten gemeinsamen Abend in Salzburg ging es für uns in einen Probenraum des Großen Festspielhauses, wo wir auf die Salzburger Orchester Solisten trafen. Gegründet wurde das Kammerensemble, das sich aus führenden Mitgliedern des Mozarteumorchesters Salzburg sowie österreichischen und deutschen Traditionsorchestern zusammensetzt, 2005 von Andreas Steiner. Im Zentrum der künstlerischen Arbeit des Ensembles stehen symphonische Werke der Klassischen- und Romantischen Musikepoche. Einen Tag zuvor waren im Rahmen des sogenannten SCENE-Programms des Siemens Arts Program Führungskräfte zu Gast bei den Salzburger Orchester Solisten im Festspielhaus gewesen – nun durften wir unser Können unter Beweis stellen. SCENE, Siemens Cultural Empowerment for New Executives, wurde vom Siemens Arts Program als einzigartiges Weiterbildungsprogramm für High-Potentials und Personen mit weitreichenden Führungsaufgaben entwickelt. In diesem Rahmen werden außergewöhnliche Trainings mit renommierten Akteuren des aktuellen Kunst- und Kulturgeschehens, zum Beispiel Kuratoren, Bildenden Künstlern und Musikern, organisiert.

Mein Plan für den Vormittag: Erst einmal abwarten und die anderen Blogger und Kulturjournalisten beim Dirigieren beobachten, um daraus Rückschlüsse für das eigene Dirigat zu ziehen. Denn auch wenn ich leidenschaftlich gerne als Moderatorin oder Schauspielerin vor Publikum stehe: Ich bin dabei stets so gut vorbereitet, dass ich zwar aufgeregt, aber Angstfrei vor die Zuschauer treten kann. Vor dem Dirigieren – das spürte ich mit jeder Minute in diesem Raum ein wenig mehr – hatte ich hingegen großen Respekt. Während ich noch über die perfekte Handführung nachdachte, beschloss Stephan Frucht, mich maximal herauszufordern und vor das Orchester zu bitten, ohne mir irgendeine Anweisung an die Hand zu geben. Ich versuche, mir meine Aufregung nicht anmerken zu lassen und mich ganz souverän dieser ungewohnten Aufgabe zu stellen. Das Orchester spürte, dass ich etwas unsicher war: Doch mein Taktgefühl stimmte schon mal und schließlich ist noch kein Meister vom Himmel gefallen! Außer Christian Gries und Lisa Ruhfus, wie sich schnell herausstellen sollte. Ich bewunderte die beiden für ihre Souveränität im Umgang mit dem Ensemble und für ihre präzise Handführung: Auf einmal wurde aus einer einfachen Tonleiter ein musikalischer Hochgenuss.

Es ist faszinierend, zu beobachten, wie viel ein Dirigat von nicht einmal einer Minute über die Persönlichkeit und den Charakter eines Menschen verrät. Die künstlerische Fachkompetenz ist das eine: Sie allein macht aus einem selbst aber noch keinen guten Dirigenten. Dazu braucht es Charisma, Kreativität und Einfühlsamkeit – aber eben auch eine gewisse Strenge und natürliche Autorität, die nicht zu verwechseln ist mit Rücksichtslosigkeit und Distanziertheit.

Ich durfte an diesem Vormittag im Großen Festspielhaus noch ein weiteres Mal dirigieren. Dieses Mal machte ich nicht den Fehler, einfach den Taktstock zu heben, ohne mich dem Orchester ordentlich vorzustellen und ihnen mitzuteilen, welches Stück wir miteinander spielen werden. Und ich vergaß auch nicht, mich anschließend bei ihnen zu bedanken, bevor ich mich wieder setzte. Dieser Workshop hat mich mehr über mich selbst gelehrt, als jedes Business-Coaching es vermocht hätte. Grundsätzlich ist im Job, wie am Dirigentenpult nichts dagegen einzuwenden, erst einmal abzuwarten und zu beobachten: Aber oft hat man nur wenig Zeit, um auf sich aufmerksam zu machen. Daher sollte man die eigene Unvollkommenheit in Kauf nehmen, anstatt sich aus Angst davor, womöglich einen Fehler zu begehen, zurückzuhalten. Im Nachhinein bin ich sehr dankbar dafür, dass Stephan Frucht durch die Gespräche mit mir am Abend zuvor erkannt hatte, dass gerade ich als Erstes bei diesem Workshop am Dirigentenpult stehen muss.

Nach diesem sehr inspirierenden ersten Teil dieses Tages steuerten wir am Nachmittag auf einen weiteren Höhepunkt zu: Eine Führung durch das Große Festspielhaus in der Hofstallgasse, das zwischen 1956 und 1960 nach den Plänen des Architekten Clemens Holzmeister erbaut wurde und zu den beeindruckendsten Spielstätten der Salzburger Festspiele zählt. Mit einem Ausmaß von insgesamt 100 Metern Breite gehört es zu den größten Konzertsälen der Welt. Besonders der riesige Malersaal des Festspielhauses war überwältigend!

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Am Abend saßen wir bei einem Espresso und einem Spritz auf dem Kapitelplatz, um dort im Rahmen der Siemens Fest>Spiel>Nächte eine Aufzeichnung von Shirin Neshats „Aida“-Inszenierung aus dem Jahr 2017 mit Anna Netrebko in der Hauptrolle anzusehen. Die Tage in Salzburg fühlten sich ein bisschen an wie auf einer perfekte organisierten Klassenfahrt – so gut harmonierten wir innerhalb unserer Gruppe aus Kulturbloggern und -journalisten. Ich habe sehr viele interessante Gespräche in Salzburg geführt und durch den SCENE-Workshop viel über mein eigenes Führungsverhalten und über den Wunsch, künftig noch mehr Verantwortung im Job übernehmen zu wollen, nachgedacht. Der hat viel mit Überwindung und dem Vertrauen auf die eigenen Fähigkeiten zu tun. Und mit dem Mut, ab und zu ins kalte Wasser zu springen.

Lieber Stephan, lieber Martina, liebe Katrin und liebe Julia: Vielen Dank für die Einladung zu dieser außergewöhnlichen Reise, für die großartige Rundum-Betreuung in Salzburg und für den vielen Input, den ihr uns mit auf den Weg gegeben habt! Ich freue mich auf ein Wiedersehen beim ARD-Musikwettbewerb, dessen Hauptsponsor ihr auch in diesem Jahr wieder seid. 


Mehr über das Siemens Arts Program: 

https://new.siemens.com/global/de/unternehmen/nachhaltigkeit/arts-program.html

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Twitter @Siemens_Arts

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