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Allgemein Kunstgeflüster

Wie der Herr, so’s Gescherr!

Stationary Figures (Musterausschnitt) / William Wegman, Entwurf, Mayer’sche Hofkunstanstalt München, Ausführung für MTA Arts & Design München / New York, 2017/18 © MTA Arts & Design, New York

Am 07.02.2020 fand ein großartiger Bloggerwalk zur Ausstellung „Treue Freunde. Hunde und Menschen“ im Bayerischen Nationalmuseum statt. Viele der ausgestellten Kunstwerke haben bei mir Erinnerungen an die Hunde meiner Kindheit und meines jungen Erwachsenenalters geweckt…

„Bobby is‘ nicht kinderfreundlich“: Noch bevor ich als kleines Kind Sätze wie „Ich habe Hunger“ sagen konnte, hatte ich diese vier Worte bei jeder Gelegenheit parat. Bobby, das war der Dalmatiner meiner Tagesmutter Alin. Schon damals war mir klar, dass Hunde die große Liebe meines Lebens werden würden.

Als ich im November von der Ausstellung Treue Freunde. Hunde und Menschen im Bayerischen Nationalmuseum in München las, war ich begeistert: Eine längst überfällige Würdigung des besten Freunden und treuesten Begleiters des Menschen an einem Haus, das auf etwa 13.000 m² eine umfassende kunst- und kulturhistorische Sammlung mit 200 Ausstellungsstücken vom frühen Mittelalter bis zum frühen 20. Jahrhundert beherbergt. Wer also, wenn nicht dieses Museum könnte mit einer derartigen Vielfalt an Exponaten rund um das Thema Hund aus verschiedenen Jahrhunderten aufwarten.

Der Anlass für die Ausstellung war das 100jährige Jubiläum der Publikation einer Schrift über einen der wohl bekanntesten Hunde der Literaturgeschichte: 1919 veröffentlichte Thomas Mann Herr und Hund und er schwärmte darin von den täglichen Spaziergängen mit seinem Lieblingshund Bauschan in der Umgebung des Münchner Wohnhauses und in den Isar-Auen. Nicht nur hier, sondern auch in Manns Tagebuch spielten Hunde immer wieder eine große Rolle. Das belegen amüsante Eintragungen wie „Glück und Zufriedenheit des Pudels“, „Zerwürfnis mit dem Pudel“ oder „Der Pudel wegen seines Embonpoints auf schmalere Diät gesetzt“. 

Thomas Mann reiht in Riege prominenter Fans der Vierbeiner: Richard Wagner komponierte mit einem Spaniel zu Füßen den „Tannhäuser“, Friedrich II. ließ sich gerne in Begleitung seines Windhundes Alcmène blicken und Dackel Boodgie wurde in vielen Arbeiten seines Herrchens David Hockney verewigt. In den Räumen der Ausstellung Treue Freunde im Bayerischen Nationalmuseum spricht jedes Kunstwerk Bände, was die Beziehung des jeweiligen Herrchens zu seinem vierbeinigen Begleiter angeht. Als uns der Generaldirektor Dr. Frank Matthias Kammel gemeinsam mit seinem Team und der von mir sehr geschätzten Kunsthistorikerin Tanja Praske, die in Zusammenarbeit mit dem Museum das digitale Vermittlungskonzept für Ausstellung „Treue Freunde“ entwickelt hat, am 07.02.2020 zu einem ausführlichen Bloggerwalk durch das Bayerische Nationalmuseum begrüßten, wurde schnell offenkundig, mit welch großer Leidenschaft, Akribie und Fachkenntnis diese Schau über eine der wohl spannendsten Beziehungen zwischen Mensch und Tier vorbereitet und umgesetzt worden ist. Bis zum Ausstellungsende im April 2020 wird darüber hinaus ein umfangsreiches Begleitprogramm mit Familienführungen, Workshops, Vorträge von renommierten Literaturwissenschaftlern und Autoren wie Dr. Dirk Heißerer oder Trickfilmworkshops für Kinder angeboten. Und in den sozialen Netzwerken stößt man unter dem Hashtag #BNMArtDogs auf spannende Hintergrundberichte rund um das Thema Hund. Zum Bloggerwalk Anfang Februar sind übrigens schon sehr interessante Nachberichte erschienen, die das Museum hier gesammelt hat.

Bei mir haben viele der ausgestellten Fotografien, Porzellanfiguren, Gemälde und Skulpturen im Bayerischen Nationalmuseum Assoziationen zu einigen wichtigen Hunden, denen ich in meiner Kindheit und als junge Erwachsene begegnet bin, geweckt.

1. WILLIAM WEGMANN, STATIONARY FIGURES / BENNO, DER LABRADOR

Natürlich handelt es sich bei dem Hund auf diesem Bild nicht um einen Labrador. Der 1943 geborene US-amerikanische Fotograf William Wegmann wurde weltberühmt durch seine Arbeit mit Weimaranern, die er in seinen Kunstwerken als Models inszeniert und surrealistisch ablichtete. Das im Bayerischen Nationalmuseum ausgestellte Mosaik ist ein Musterausschnitt nach einem Entwurf von William Wegmann für die Metropolitan Transportation Authority (MTA) in der Manhattaner 23rd Street Station. Elf dieser überlebensgroßen Hundeporträts wurden in der Mayer’sche Hofkunstanstalt aus abertausenden venezianischen Glassmalten gefertigt. In den 1970er Jahren begann Wegmann mit seinem Hund Man Ray zu arbeiten, den er nach dem berühmten surrealistischen Künstler benannt hatte. Als der Weimeraner 1982 starb, schaffte sich Wegmann vier Jahre lang kein neues Tier an. „Man Ray nimmt sehr viel Druck von mir. Es ist, als sei man in einem Gespräch von einer dritten Person umgeben. Einer, die nicht die ganze Zeit reden muss“, so der Fotograf. 

Dieses Gefühl der tiefen Verbundenheit mit einem Hund, das Wegmann in seinem Zitat beschreibt, kenne ich sehr gut. Der Weimeraner im Bayerischen Nationalmuseum erinnerte mich an Benno, den Labrador eines Lehrerkollegen meiner Eltern. Ich war damals 10, er 14 Jahre alt, als ich ihn zum ersten Mal sah. Benno hatte bereits einiges mitgemacht, bevor er bei uns im örtlichen Tierheim gelandet war. In Bezug auf seine Freundlichkeit und Herzensgüte erinnerte er mich an Beppo, den Straßenkehrer aus Michael Endes Roman „Momo“. Benno brauchte lange, um richtig Vertrauen zu Menschen zu fassen: Wen er aber einmal in sein Herz geschlossen hatte, dem hielt er die Treue. Stundenlang konnte man mit ihm spazieren gehen und dabei den Eindruck gewinnen, dass er dabei wie ein alter Herr über das Leben sinnierte.

Es war keine einfache Zeit für mich, als dieser besondere Hund in mein Leben trat. Sie war geprägt von Unsicherheit, dem Wunsch nach Anerkennung und dem Gefühl, anders zu sein, als alle anderen Kinder. Benno war in den zwei Jahren, in denen ich mehrmals in der Woche mit ihm Gassi ging, ein verlässlicher, liebenswerter, unvoreingenommener Freund und Partner. Als er starb, hinterließ er eine große Lücke in meinem Leben. Es gibt kein Foto von Benno und mir, nur Bilder mit anderen Labradoren, die damals als Kind entstanden sind. Die Erinnerung an ihn aber ist immer noch sehr lebendig.


2. BIG DOG IN A BIG CITY / BOBBY

Big Dog in a Big City / Amit Elkayam, New York, 2018 Digitaler Druck © Amit Elkayam, New York

Der israelische Fotograf Amit Elkayam machte dieses Foto 2018 in seinem Wohnort New York. Wie ein Wachhund wirkt auch der große Dobermann in Amit Elkayams Fotografie, vor der ich bei unserem Rundgang durch das Bayerische Nationalmuseum lange verweilte. 2014 begleitete Elkayam die Israelischen Streitkräfte als Fotojournalist und war einer der offiziellen Fotografen des damaligen Generalstabschefs Gadi Eizenkot. Egal, ob es sich um Kinder, Hunde oder Soldaten handelt: Elkayams Blick auf seine Fotomodelle ist stets zärtlich, beobachtend, nie entblößend. Hendrix heißt die große Dogge, die immer wieder in seinen Bildern auftaucht:

Hendrix hat mich sofort an Bobby erinnert, meine erste große Hundeliebe. Er war der beste Wachhund, den man sich für ein Baby hätte vorstellen können. Keiner traute sich auch nur in die Nähe meines Kinderwagens, wenn Bobby daneben saß. Der Hund meiner Tagesmutter war kein ausgewachsener Menschenfreund und schon gar kein Hund, der sich gerne mit kleinen Kindern umgab. Umso mehr war meine Tagesmutter erstaunt über die Hingabe, mit der sich Bobby seiner Aufgabe als mein Beschützer widmete. Als ich größer wurde, lernte ich durch den Umgang mit Bobby, was es bedeutet, respektvoll mit einem anderen Lebewesen umzugehen. Denn er konnte es nicht ausstehen, wenn man ihm ins Gesicht fasste oder wenn man ihn wie ein Spielzeug behandelte. Wie schön, dass dieser wunderbare Dalmatiner bei mir eine Ausnahme machte, was seine Skepsis gegenüber Menschen im Allgemeinen und Kinder im Speziellen anging.

Irgendwo müsste meine Tagesmutter noch ein vergilbtes Palaroid von Bobby und mir haben. Mehr Fotos besitze ich nur von Ines, ihrer Schäferhundmischung, die nach Bobbys Tod seinen Platz als neuer Familienhund einnahm. Auch zu ihr baute ich im Laufe der Jahre eine sehr enge Beziehung auf. Bobby wird trotzdem immer einen besonderen Platz in meinem Herzen haben.


3. SIEGFRIED / ROSI MÜLLER 

Siegfried |Thomas Theodor Heine | Dießen am Ammersee, 1921 Öl auf Holz © Print & Coffee

Möpse begegnen einem in der Ausstellung „Treue Freunde“ auf Schritt und Tritt: Egal ob auf Gemälden oder als Porzellan- oder Glaskunstwerke. Den wohl schönsten Mops der Ausstellung erblickt man bereits, bevor man das Museum überhaupt betreten hat. Denn „Siegried“ von Thomas Theodor Heine ziert das Plakat der Ausstellung. 1921 setzte der Maler dem unerschrockenen, tapferen Held Siegfried ein amüsantes Denkmal – ein ironischer Kommentar auf all die tugendhaften Eigenschaften, die ihm zugeschrieben werden.

Mein Siegfried hieß vier Jahre lang Rosi Müller. Rosi war der Hund der Kostümabteilungsleiterin der ARD-Telenovela „Sturm der Liebe“, für die ich ab 2013 als PR-Redakteurin tätig war. Ich selbst lernte Rosi leider nie persönlich kennen – sie weilte damals schon auf der Insel Mallorca, wohin ihr Frauchen kurz zuvor ausgewandert war. Weil sie das ganze Team und viele Schauspieler so vermissten, bekam sie 2011 ihre eigene Facebook-Fanseite. Jede Woche veröffentlichte sie fortan darauf ihren „Insider der Woche“. Denn Rosi war immer da, wo die Fans gerne gewesen wären. In der Maske, in den Armen eines stürmischen Traummanns oder auf einer Almwiese im Aussendreh. Rosi liebte Schokolade, schöne Männer und ausgiebige Mittagsschläfchen im Studio. Sie war eine hoffnungslose Romantikerin und glaubte sogar einmal in einem Gastrollen-Mops ihre große Liebe gefunden zu haben. Aber leider würdigte ihr prominenter Angebeteter sie kaum eines Blickes.

Seit Rosi in mein Leben getreten ist, finden sich in meiner Wohnung viele mopsige Must-haves wie eine Weihnachtskugel mit Mops und diverse Postkarten. Mit meinem Weggang von „Sturm der Liebe“ 2017 endete meine enge Beziehung zu Rosi. Ich behalte sie in allerbester Erinnerung – meine ironische, emphatische Lieblingsmöpsin.

Rosi mit den „Sturm der Liebe“-Darstellern Sepp Schauer und Antje Hagen 2010, ARD/ Ann Paur

Ich bin gespannt, welche Assoziationen an eure Lieblingshunde aus der Kindheit ihr selbst habt, wenn ihr diese sehr sehenswerte Ausstellung besucht!


Mehr Infos über die Ausstellung „Treue Freunde“:

https://www.bayerisches-nationalmuseum.de/index.php?id=1169

Bayerisches Nationalmuseum
Prinzregentenstraße 3
80538 München

Facebook @BayerischesNationalmuseum

Instagram @bayerisches.nationalmuseum

Verfolgt die Ausstellung in den sozialen Netzwerken unter dem Hashtag #BNMArtDogs

Laufzeit:

28. November 2019 – 19. April 2020

Öffnungszeiten:

Dienstag bis Sonntag 10–17 Uhr
Donnerstag 10–20 Uhr

Eintrittspreise:

Erwachsene: 12 Euro
Ermäßigt: 8 Euro
Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren haben freien Eintritt.

3 Antworten auf „Wie der Herr, so’s Gescherr!“

Ach, liebe Lena,

soooo schöööön! Absolut berührend, welche Bezüge du zwischen dir und der Ausstellung herstellst – ich bin begeistert!

Dir ist es gelungen, eine ganz andere Seite von #BNMArtDogs zu zeigen, höchst persönlich und emotionalisierend. Der Zugang: die Rezeption. Spannend, was Werke bei dir auslösten, mit welchen Erinnerungen du sie verbunden hast. Das ist etwas, was vom Museum bestimmt nicht kalkuliert, dafür aber um so freudiger angenommen wird.

Meine Aufgabe bestand darin, euch zusammen mit den Kuratoren einen wunderbaren Abend zu ermöglichen und Raum für Assoziationen wie diese hier zu schaffen. Mich überrascht dann, welche Blüten das annimmt. Toll! Die digitale Vermittlung liegt in den Händen des Bayerischen Nationalmuseums. Aber ich gestehe, ich arbeite sehr gerne mit diesem tollen, hochmotivierten Team zusammen. Auch sie überraschen mich jedes Mal erneut, wie sie am Ende ihre Geschichten erzählen!

Vielen, vielen Dank dir!
Herzlich,
Tanja (Kultur-Museum-Talk)

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