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Fünf Jahre #Kulturflüsterei: In der Residenztheater-Kantine mit Nils Strunk

Nils Strunk © Irina Gavrich

Ein Rückblick auf eines meiner Lieblingsinterviews der vergangenen fünf Jahre mit dem sehr vielseitig begabten Künstler Nils Strunk.

Es sollte einige Zeit dauern, bis ich mich im Februar 2019 mit Nils zu einem Interview in der Kantine des Münchner Residenztheaters treffen konnte. Ich lernte das damalige Ensemblemitglied des Residenztheaters im Herbst 2017 kennen – ein paar Monate nachdem er zu Beginn der Spielzeit 2017/2018 sein Engagement an diesem Haus angetreten hatte.

Nils erster Auftritt auf der großen Bühne des Residenztheaters im Mai 2017 bleibt unvergessen für mich: Inmitten des eisigen Trümmerfelds menschlicher Existenz wies er als Hippolyt in Martin Kušejs Inszenierung Phädras Nacht jede noch so zärtliche Annäherung seiner Stiefmutter Phädra (Bibiana Beglau) mit sanfter Grausamkeit zurück. Nils‘ Hippolyt war ein Narzisst, dem es mit seinem umwerfenden Charme und einer gefährlichen Mischung aus Zurückweisung und Annäherung gelang, von Phädra Besitz zu ergreifen.

Nils Strunk, der der von 2011 bis 2015 Schauspiel an der renommierten Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch in Berlin studierte und danach zwei Jahre am Staatstheater Wiesbaden engagiert war, überzeugte mich damals am Residenztheater wie heute auf der Bühne mit einer sehr selten zu findenden Mischung aus physischer Kraft und psychologischem Feingefühl für die inneren Zwänge, Ängste und Sehnsüchte seiner Figuren. Jedes Wort, jede Geste wirkt bei dem 32-jährigen Schauspieler wahrhaftig. Im Gegensatz zu vielen seiner Bühnenfiguren, die Opfer ihrer eigenen Hybris werden, nutzt Nils Strunk die Öffentlichkeit nicht, um sich in ihrem Glanze zu sonnen.

Er möchte etwas bewegen und verändern. Nils‘ großes Engagement für ein lebendiges demokratisches Miteinander beschränkt sich dabei nicht nur auf seine Arbeit als Schauspieler. Zu Studienzeiten setzte er sich für den Neubau seiner Schauspielschule ein. 2017 unterstützte er dann den SPD-Bundestagskandidaten Martin Schulz aktiv bei seinem Wahlkampf um das Kanzleramt.

Mit dem von ihm 2018 mit begründeten Künstlerkollektiv Neues Künstlertheater realisiert Nils innovative Theater- und Filmprojekte, die sich unter anderem auf eine sehr reflektierte, innovative Art und Weise mit unserer heutigen Wirklichkeit auseinandersetzen. Gerade arbeiten seine Kolleginnen und Kollegen und er gemeinsam mit der Sopranistin Manuela Vieira, der Pianistin Schaghajegh Nosrati und dem Bassbariton Mathias Tönges an dem internationalen Bühnenprojekt SAUDADE ZWEIG – who killed Z.?, dessen Premiere im Frühjahr 2022 im Rahmen des Heidelberger Frühlings stattfinden wird.

Ich habe Nils, der seit dieser Spielzeit festes Ensemblemitglied am Wiener Burgtheater ist, schon immer für seine enorme künstlerische Vielseitigkeit bewundert: Er komponierte in den vergangenen Jahren unter anderem die Bühnenmusik für die Inszenierung Die Träume der Abwesenden von Stephan Kimmig am Residenztheater und die Filmmusik für Jim Raketes Dokumentarfilm Now über die Wünsche, Träume und den Einsatz der Generation Greta für den Klimaschutz. Im September 2020 feierte Nils‘ Regiedebüt – der musikalischen Soloabend Mozart und Salieri, den er zusammen mit Andrej Agranovski am Badischen Staatstheater inszenierte – Premiere.

Wie gerne erinnere ich mich an das Interview mit Nils für meinen Blog im Februar 2019 zurück. Wir sprachen sehr offen darüber, was langfristiges politisches und gesellschaftliches Engagement abseits von Hashtag-Generierung, Postings und öffentlichkeitswirksamen Performances für einen Künstler oder eine Künstlerin bedeutet und wo man in Bezug auf das eigene Engagement für die gute Sache an Grenzen stößt.

Ich erinnere mich an viele weitere Begegnungen mit Nils in der Residenztheater-Kantine, bis er das Ensemble des Hauses Ende der Spielzeit 2018/ 2019 verließ und seiner künstlerischen Wandlungsfähigkeit durch seine selbstständige Tätigkeit Ausdruck verlieh. Zum Abschied von einem Haus, dessen Mitarbeiter vor und hinter der Bühne ihm sehr ans Herz gewachsen waren, sang er gemeinsam mit Sebastian Fuchs als Schlagerduo Glitzer für das begeisterte Publikum einige sehr ergreifende Songs im Marstall des Residenztheaters:

Kurz bevor Nils das Residenztheater verließ, durfte ich im Mai 2019 gemeinsam mit ihm auf der Bühne des Hauses stehen: Im Rahmen der jährlichen Preisverleihung der Freunde des Residenztheaters wurden seiner Kollegin Lilith Häßle und ihm die beiden Förderpreise eines Vereins, dem ich bis Mitte des vergangenen Jahres als stellvertretende Vorsitzende angehörte, verliehen. Es war eine große Ehre für mich, die Bühne mit einem Schauspieler teilen zu dürfen, der bis heute zu einem meiner absoluten Lieblingsschauspieler zählt.

Die Preisträger der Förderpreise der Freunde des Residenztheaters 2019, Nils Strunk (2.v.l.) und Lilith Häßle (3.v.r.) zusammen mit der Preisträgerin des Kurt-Meisel-Preises 2019, Juliane Köhler (M.), dem Intendanten des Residenztheaters, Martin Kušej (2.v.r.) und der Vorsitzenden der Freunde des Residenztheaters, Marissa Biebl (r.) © Adrienne Meister

Lieber Nils, dein Weggang aus München vor zweieinhalb Jahren war nicht nur für mich, sondern auch für viele andere Theaterbegeisterte in der bayerischen Landeshauptstadt ein sehr schmerzlicher Verlust. Ich freue mich immer, von dir zu hören oder zu lesen und ich erinnere mich nicht nur sehr gerne an das Interview in der Residenztheater-Kantine, sondern auch an das Gespräch mit deinen Kollegen vom Neuen Künstlertheater und mit Sebastian und dir zum Release von „5 vor 12“ zurück. Ich habe mir fest vorgenommen, dich in diesem Jahr in Wien besuchen zu kommen und bin gespannt darauf, dich auf der Bühne des Burgtheaters zu erleben!


Weitere Informationen über Nils Strunk: 

https://www.burgtheater.at/ensemble/nils-strunk
https://imdahl.com/portfolio/nils-strunk/

Instagram @_nilsstrunk

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