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#Interview mit Moritz Hauthaler


Ein Gespräch mit dem Regisseur Moritz Hauthaler über das Bienenhaus seines Großvaters, Macbeth und sein Verhältnis zum Zuschauer…

Über das „Bienenhaus im Zementgarten“:

„Der Arbeitsauftrag der Pinakotheken lautete zunächst: Ein Projekt zu entwickeln, dass den Bogen zum Werk von Joseph Beuys spannt. Dann stellte sich heraus, dass Beuys vor 40 Jahren die sogenannte „Honigpumpe am Arbeitsplatz“ für die Documenta 6 in Kassel schuf. Ich habe daraufhin beschlossen, das Bienenhaus meines Großvaters, das ih in der Nähe von Salzburg in der Marktgemeinde Obertrum am See steht, nachzubauen. Mitten im Museum wollte ich gemeinsam mit dem Bühnenbildner Xaver Unterholzner einen Ort der Entschleunigung schaffen, an dem wir verweilen und uns Fragen stellen können, für die wir im hektischen Alltagsleben keine Zeit haben. Ursprünglich wollte ich übrigens das Original-Bienenhaus meines Großvaters in die Pinakothek der Moderne transportieren, was leider aus diversen Gründen nicht möglich war. Der sieht genauso aus wie das Original, hat aber keine Schindeln. Und es gibt einen weiteren großen Unterschied zum Original: Im Museum wird keine Biene je in die Nähe dieses Ortes gelangen können. Daher heißt die Arbeit auch „Das Bienenhaus im Zementgarten“. Ein Leben im Einklang mit der Natur ist hier nicht möglich – das Haus wird zum Sinnbild für die zweckentfremdete Umgebung, in der es sich befindet.“

Moritz Hauthaler studiert im 3. Jahrgang Regie an der Münchner Otto Falckenberg Schule. © Federico Pedrotti

Über die Performance in der Pinakothek der Moderne: 

„Teil unseres Projekts ist eine Performance, bei der wir mit sehr reduzierten Mitteln auskommen. Wir laden die Museumsbesucher ein, den „Raum-in-Raum-Ruhepol“ des Bienenhauses zu betreten und dort so lange zu verweilen, wie sie möchten. Zeit in Dinge zu investieren, die sie schon lange nicht mehr gemacht haben bzw. schon immer machen wollten – z.B sich tiefgehend mit den Arbeiten und dem Leben Franz Kafkas zu beschäftigen, einen Brief an ein/e FreundIn in der Ferne schicken oder, wie Xaver Unterholzner, mit dem ich dieses Projekt entwickelt habe, „ein Bühnenbild-Manifest zu verfassen“. Wir sind täglich für mehrere Stunden im Museum, um die Reaktion der Besucher auf das Bienenhaus zu beobachten und mit den Sätzen aus den Aufzeichnungen meines Großvaters die Innen- und Außenwände zu verkleiden – auf diese Weise bekommt das Bienenhaus seine Patina.“

Über die Protokolle des Großvaters: 

„Mein Großvater musste mit 12 Jahren gemeinsam mit seinen drei Schwester und seinem Bruder den Bauernhof seiner Eltern übernehmen, weil sein Vater gestorben und die Mutter psychisch krank war. Ich bin auf diesem Hof gemeinsam mit vielen Verwandten aufgewachsen und habe nach dem Tod meines Opas dessen Aufzeichnungen gefunden. Es handelt sich dabei weniger um Tagebucheinträge, als vielmehr um eine Dokumentation dessen, was er jeden Tag geleistet hat. Mein Großvater war ein sensibler Mensch und musste in seinem Leben viele Schicksalsschläge hinnehmen – was ihn persönlich bewegte, schrieb er jedoch niemals in diese Aufzeichnungen. Mein Onkel und meine Großmutter leben übrigens immer noch auf dem Hof und bis vor zwei Jahren hat ihn mein Onkel auch noch bewirtschaftet.  Im besten Zweigschen Sinne kann ich von einer „Welt von Gestern“ sprechen, wenn ich mich an diesen Ort erinnere. Er lebt eigentlich nur noch in meiner Erinnerung weiter.“

Über den Bühnenbildner Xaver Unterholzner:

Xaver ist einer meiner engsten Freunde. Als ich mein Regiestudium an der Falckenberg-Schule begonnen habe, studierte er schon zwei Jahre an der Akademie der Bildenden Künste. Kennengelernt haben wir uns beim Münchner Theaterfestival Spielart. Mit Xaver habe ich die Bienenhaus-Idee entwickelt und im Januar 2018 setzen wir mit „Macbeth“ unser 10. gemeinsames Projekt um. Xaver erdet mich auf eine ganz positive Art und Weise. Wenn ich wieder einmal dabei bin, vor lauter Ideen gedanklich wegzufliegen, schafft er es, mich buchstäblich wieder einzufangen. Was ihn als Bühnenbildner auszeichnet: Was er sich auf dem Papier ausdenkt, kann er auch tatsächlich selber bauen. Wir setzen uns inszenatorisch gesehen überhaupt keine Grenzen und sind nicht nur auf Theaterinszenierungen festgelegt.“

Über den eigenen Regiestil: 

„Man muss darauf achten, dass die eigene Arbeit nicht irgendwann zu „fabrikmäßig“ daherkommt. Jeder Stoff, jedes Thema bringt ganz eigene Anforderungen mit sich. Daher muss man meiner Meinung nach auch für jedes Projekt eine eigene Sprache finden. Ich halte nicht besonders viel davon, für jetzt und alle Zeiten einen einzigen Regie-Stil zu etablieren und ihn auf alle meine Arbeiten anzuwenden. Die Lebenswelt eines Woyzeck ist nun einmal eine andere, als die eines Macbeth. Ich erschaffe sehr gerne Erzählwelten, innerhalb denen sich der Zuschauer aus meiner Interpretation eines Textes ein eigenes Narrativ erschaffen kann. Schade finde ich, wenn ein Text einfach bebildert wird – dann könnte ich ihn auch einfach als Lesung präsentieren.

Über die Öffnung gegenüber anderen Kultursparten: 

„An der Otto Falckenberg Schule wird mittlerweile nicht mehr strikt in Kategorien gedacht, sondern spartenübergreifend gearbeitet, was meinem Verständnis von Regie sehr entspricht. In Bezug auf Performance-Arbeiten glaube ich nicht, dass die Formel „Performance = Beliebigkeit = Chaos“ aufgeht. Vielleicht brauchen wir noch einige Jahre Zeit, um diese Kunstgattung in eine Richtung hin weiterzuentwickeln und sie als nicht mehr wegzudenkende Größe im deutschsprachigen Theaterbetrieb zu etablieren.“

Über Filmregie: 

„Ich habe vor meiner Zeit an der Otto Falckenberg Schule Film am European Film College in Dänemark studiert. Mein Herz schlägt für den Film – wofür man jedoch viel Zeit und Geld braucht. Momentan spüre ich eine große Unruhe in mir und möchte viele verschiedene Dinge im Experiment ausprobieren, wofür mir die Otto-Falckenberg-Schule wirklich viele Freiheiten schenkt. Mein langfristiges Ziel ist es, weiterhin mit meinem Team in den Sparten Film, Theater und Performance zu arbeiten. Spätestens jedoch im Herbst/Winter 2019 – also nach meiner Studienzeit – möchte ich meinen ersten Spielfilm drehen und habe auch schon einige Ideen dafür. Grundsätzlich bin ich ein Fan des Independent- und Arthouse-Kinos.“

Über das Verhältnis zum Zuschauer: 

„Ich denke viel über die Wirkung meiner Arbeiten auf den Zuschauer nach, bin aber kein „People Pleaser“. Ingmar Bergmann hat einmal von einem „magischen Band“ zwischen Zuschauer und Publikum gesprochen – das wäre auch meine Vorstellung von einer gelungenen künstlerischen Arbeit. Ich möchte den Zuschauer nicht schonen, ihm schwere Kost nicht leicht verdaulich präsentieren, wenn es zum Bespiel wie in Woyzeck um Themen wie Erniedrigung und Ausbeutung geht.

Viel schlimmer als eine negative Theaterkritik finde ich das Gefühl, mit einer Inszenierung einen Weg zu beschreiten und irgendwann merken zu müssen, dass man die Menschen,mit denen man arbeitet, „verloren“ hat – d.h. dass kein Vertrauen mehr in mich oder das Projekt besteht. Dann entsteht eine Form von Einsamkeit, die jeder Regisseur schon einmal erlebt hat und die oft schwer zu ertragen ist.“

 


Mehr Infos über Moritz Hauthaler: https://www.otto-falckenberg-schule.de/mensch/moritz-hauthaler/

2 Antworten auf „#Interview mit Moritz Hauthaler“

Frisches Interview. In die Zukunft weisende Phantasie- u. Wunschwelten. Weg aus den vorausgewußten Kommerzströmen. Was ist wahrhaftes Kreieren eines Künstlers in der
anteil. Gemeinsamkeit mit Kolleginnen u. Kollegen?! Gibt es wieder einmal Neues Künstlerisches mit eigener Handschrift ohne vorgegebenen Äußeren Schliff einer Angepasstheit, die oft so schwer auszuhalten ist?!

Dem Verfasser: Glück, Mut u. weiterhin Vertrauen in zukunftsweisende Visionen und deren gelingenden Umsetzungen. „Wo gehts denn hin mit der Wöt ……. und mit uns allen …., Wööt und Gööt …. Wo steht denn ‚Anpassung’ in der ‚Verfassung‘ …. Beste Wünsche v. A. RA

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