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Vier Jahre Kulturflüsterei

Auf den Tag genau vor vier Jahren veröffentlichte ich den ersten Text auf meinem Blog. Seither hat sich sehr viel getan – Zeit, um eine kleine Bilanz zu ziehen.

Im Dezember 2017 saß ich mit einer Freundin in einem Café in München und erzählte ihr, wie sehr ich mir ein eigenes Forum wünschte, wo ich mich voll und ganz meiner Leidenschaft für Kunst und Kultur widmen könnte. Meine ehrenamtliche Arbeit für die Freunde des Residenztheaters empfand ich zwar als erfüllend – sie entsprach nicht zu hundert Prozent meiner Vorstellung von der eigenen Selbstverwirklichung. „Warum startest du nicht deinen eigenen Kulturblog?“, fragte Milena mich. Sie selbst hatte zu diesem Zeitpunkt bereits seit mehreren Jahren regelmäßig Artikel auf ihrem eigenen München-Blog veröffentlicht.

„Braucht die Welt wirklich noch einen weiteren Kulturblog?“, war damals mein erster Gedanke. Irgendwie hatte ich jedoch bei diesem Gespräch im Münchner Westend bereits Feuer gefangen von der Idee, meine persönlichen Highlights aus dem nationalen und internationalen Kunst- und Kulturleben auf einer digitalen Plattform zu präsentieren.

Wenige Wochen später war es am 14. Januar 2017 endlich so weit: Mein erster Blogbeitrag über meine jahrelange Mitwirkung bei der Lesegruppe Lesezeichen ging auf kulturfluesterin.com online. „Lesen und lauschen“ wurde von Beginn an eine eigene Kategorie auf meinem Blog. In regelmäßigen Abständen sprach ich auf meinem Soundcloud-Kanal Gedichte und Geschichten von Schrifsteller*innen wie Georg Trakl, Erich Kästner oder Mascha Kaléko für die Leser*innen meines Blogs ein.

Seit dem 14.01.2017 habe ich 253 Blogartikel verfasst, drei Jahre hintereinander jeweils im Dezember 24 Adventskalender-Beiträge publiziert, war auf sieben Blogger- und Pressereisen, habe über meine privaten Reisen nach Madeira, Albanien und Neuseeland berichtet und 96 Interviews mit Kunst- und Kulturschaffenden geführt – unter ihnen Schauspieler*innen wie Caroline Peters, Sänger*innen wie Marlis Petersen, Musiker wie die Mitglieder des Arcis Saxophon Quartetts oder Künstler*innen wie Carsten Fock. Die Begegnungen mit einigen dieser Kulturschaffenden war so nachhaltig, dass sich aus einer anfänglichen Interview-Bekanntschaft eine Freundschaft entwickelte – wie zum Beispiel mit der Schauspielerin Stefanie Reinsperger, der allersten Interviewpartnerin für meinen Blog. Sie, die damals bereits große Erfolge im deutschsprachigen Theaterbetrieb feierte, antwortete mir im März 2017 sehr herzlich auf meine Direktnachricht bei Instagram. Ich hätte es damals nicht gewagt, sie nach einem Telefoninterview oder gar einem persönlichen Treffen zu fragen – schließlich stand ich noch ganz am Anfang meiner Bloggerkarriere. Also schickte ich Steffi ein paar Fragen, auf die sie umgehend schriftlich antwortete. Fast ein Jahr später sah ich die Schauspielerin, die in der Zwischenzeit Ensemblemitglied am Berliner Ensemble geworden war, Ende Februar 2018 zum ersten Mal live auf der Bühne bei einer Veranstaltung in „ihrem“ neuen Theater. Seit jenem Abend sind wir uns immer wieder bei unterschiedlichen Gelegenheiten begegnet.

Stefanie Reinsperger und ich in Salzburg 2019

Die unkomplizierte Kontaktaufnahme mit Steffi bestärkte mich darin, mich auf die Suche nach weiteren Interviewpartnern für meinen Blog zu begeben. Ich erinnere mich noch sehr gut an das zweite Gespräch für „Die Kulturflüsterin“, das im Mai 2017 mit dem Maler Carsten Fock im Münchner Stadtteil Lehel stattfand. Aus einer sehr interessanten, intensiven Unterhaltung über Carstens Kunst, das Leben in München, Social Media und den Mut zu mehr Unangepasstheit im Kunstbetrieb entstand eine freundschaftliche Verbindung zwischen uns beiden, die bis heute nicht abgerissen ist.

Es sind nicht nur die vielen eindrucksvollen Interview-Begegnungen, die mein Leben in den vergangenen Jahren derart bereicherten. Die Kulturflüsterei motivierte mich dazu, mich mit Themen auseinanderzusetzen, mit denen ich bislang kaum oder wenig Berührungspunkte gehabt hatte. Oder dazu, mich in einer vollkommen anderen Art und Weise mit vermeintlich bekannten Epochen, Stilrichtungen oder musikalische Gattungen zu beschäftigen. Ich erinnere mich zum Beispiel sehr gerne an die von der Kunsthistorikerin, Autorin und Kunstvermittlerin Anke von Heyl organisierte Bloggerreise zurück, bei der es im Januar 2018 anlässlich der Ausstellung „Rausch der Schönheit. Die Kunst des Jugendstils“ im Dortmunder Museum für Kunst und Kulturgeschichte für mich und für 10 andere Kulturblogger ins Ruhrgebiet ging. Dort lernte ich unter anderem Katharina kennen, die den spannenden Instagram-Account @artouveaukathi betreibt und mit der ich bis heute befreundet bin. Nach dieser Reise sah ich meine Heimatstadt München unter Jugendstil-Aspekten plötzlich mit ganz anderen Augen. Bis heute freue ich mich darüber, wenn ich ein mir noch unbekanntes Haus entdeckte, das im Jugendstil erbaut wurde.

Vier Jahre Kulturflüstern: Das bedeutet auf der einen Seite viele spannende Begegnungen, Reisen, tolle Gespräche, schöne Instagram-Fotos und aufregende Veranstaltungen. Und auf der anderen Seite unglaublich viel Arbeit, Selbstdisziplin und Fleiß. Schon nach wenigen Monaten als Bloggerin fragte ich mich, ob die Kulturflüsterei tatsächlich ein leidenschaftliches Hobby, oder nicht doch eher ein Zweitjob ist.

Sich neben einem Vollzeitjob als PR-Managerin und einer ehrenamtlichen Vorstandstätigkeit bei den Freunden des Residenztheaters abends und am Wochenende auf die Formulierung der Texte für den eigenen Blog zu konzentrieren, fällt mir bis heute nicht immer leicht. Denn wer sie wie ich in seinem Blog ernsthaft mit Themen auseinandersetzen möchte, der bräuchte dafür oft mehr Zeit. So angenehm es ist, keine Abgabefristen für die eigenen Artikel zu haben: Ein gewisser Druck, den nächsten Text auf meinem Blog zu veröffentlichen, ist trotzdem immer spürbar. So sehr mich dieser Druck manchmal stresst: Er ist zu einem Motor für meine Arbeit als Bloggerin geworden und sorgt gerade in diesen Zeiten dafür, dass ich nicht in eine gewisse Lethargie verfalle.

http://www.olafureliasson.net II OLAFUR ELIASSON. IN REAL LIFE II Zu Gast in der Ausstellung in der Tate Modern in London im Dezember 2019

Unzählige Veranstaltungsbesuche während der Woche, die darauf folgenden Instagram-Stories und -Postings und die zahlreichen Bloggerreisen am Wochenende: Mein Leben wäre wohl ewig so weitergegangen, wenn nicht der März 2020 eine große Zäsur für mich bedeutet hätte. Im ersten Lockdown des vergangenen Jahres war ich nach über drei Jahren ununterbrochener Umtriebigkeit dankbar für die verordnete Zwangsruhe. Doch da war auch das beruhigende und befreiende Gefühl, dass ich kreativ und produktiv sein konnte, ohne zu reisen und jeden Abend ein Konzert, eine Theateraufführung oder eine Vernissage zu besuchen. Ich nahm eine Tradition aus meiner Kindheit wieder auf und begann, Tagebuch zu schreiben. Ich ging sehr viel spazieren und lernte es noch viel mehr zu schätzen, in einer so wunderschönen Stadt wie München zu wohnen. Und ich hatte das Glück, dass Instagram für mich in diesem Ausnahmezustand zu einer Plattform wurde, auf der ich gerade im vergangenen Jahr extrem empathische Menschen wie den Theaterregisseur und -autor Emre Akal oder den Bühnenbildner Simon Lesemann kennenlernte. Mit ihnen konnte ich mich nicht nur über Kunst und Kultur, sondern auch über all das austauschen, was mich privat beschäftigt.

Wenn ich eine Sache für mich und für all die engagierten Kulturblogger um mich herum ändern könnte, dann würde ich mir wünschen, dass wir mehr als Journalisten und weniger als Influencer wahrgenommen werden. Und dass sich die Wertschätzung der Kulturbetriebe für Blogger nicht nur in Form lobender Worte äußert, sondern sich die Verantwortlichen auch bewusst werden, dass sehr guter Kulturjournalismus entsprechend vergütet werden sollte. Denn ansonsten verspielt man die Chance, die Kulturblogger als Arbeitspartner zu gewinnen, die durch ihre Reichweite mittlerweile zu sehr wichtigen Multiplikatoren im Kunst- und Kulturbetrieb geworden sind.

Ich bin sehr dankbar dafür, dass ich mir aufgrund der finanziellen Freiheit durch meine Vollzeit-Stelle eine größtmögliche redaktionelle Unabhängigkeit in Bezug auf meinen Blog bewahren konnte. Weder muss ich auf die Instagram-Reichweiten meiner Interviewpartner*innen achten, noch aus strategischen Gründen über bestimmte Kulturschaffende oder Veranstaltungen berichten. Die Schwerpunkte auf meinem Blog haben sich gerade im vergangenen Jahr noch einmal deutlich verschoben: Mein Interesse an gesellschaftlichen Fragestellungen und meine Kritik an bestimmten Zuständen in unserem Land und in der Welt spiegelt sich nun auch in meinen Artikeln wieder – so zum Beispiel in meinem Text „Frauenwelten“ über den „Männerwelten“-Beitrag in der Sendezeit von Joko und Klaas auf ProSieben im Mai 2020, wo auf äußerst polemische Art und Weise das Thema Gewalt gegenüber Frauen in den Fokus gerückt wurde.

„Wer auf frischen Wind hofft, darf nicht verschnupft sein, wenn er kommt“ (Helmut Qualtinger) // 2019 in Neuseeland

Welch ein Glück, dass mich meine Freundin Milena vor vier Jahren dazu motivierte, meinen eigenen Blog zu starten. Und welche eine Freude, dass so viele Menschen gibt, die ich dadurch kennenlernen durfte. Ich freue mich auf die kommenden vier Jahre und auf hoffentlich viele weitere Kulturerlebnisse im analogen Raum, sobald dieser Lockdown beendet sein wird.

 

4 Antworten auf „Vier Jahre Kulturflüsterei“

Ja, welch ein Glück, liebe Lena,
dass du unter die Bloggerinnen gegangen bist. Dass wir uns im Netz kennenlernen konnten und vor allem, was für ein Glück, dass ich dich bei vielen Gelegenheiten live erleben konnte. Das ist eine dieser tollen Begegnungen unter uns Kulturliebhaberinnen, die ich nicht missen möchte.
Herzlichen Glückwunsch zum Blog-Geburtstag. Vielen Dank für all deine tollen Beiträge, deine Begeisterung für die Kultur und schön, dass es dich gibt, liebe Lena.

Liebe Grüße von der Kulturtussi
Anke

Liebe Anke,

über deine Worte freue ich mich ganz besonders, weil du bis heute ein sehr großes Vorbild für mich bist! Die Begegnungen und der Austausch mit dir sind unglaublich bereichernd und haben mir sehr dabei geholfen, mich als Kulturbloggerin weiterzuentwickeln.

Ich freue mich auf das nächste Live-Treffen mit dir und wünsche dir weiterhin alles Gute!

Liebe Grüße

Lena

Gratulation zum Blog-Geburtstag und Kulturflüsterinnen-Blog überhaupt! Ich lese immer gerne darin. Du sprichst mir aus der Seele, liebe Lena, mit den Schilderungen des selbstauferlegten Drucks, der Rastlosigkeit und der ständigen Erweiterung von Bekanntschaften aus der Kulturwelt. Weiter so, Kultur ist das schönste Hobby der Welt!

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